Berlinale 15: BODY (Cialo) von Malgorzata Szumowska

'Body' Justyna Suwala, Maja Ostaszewska © Jacek Drygala
‚Body‘ Justyna Suwala, Maja Ostaszewska © Jacek Drygala

Körper spielen eine zentrale Rolle in diesem Film. Die knochigen Körper magersüchtiger Mädchen, der massige Körper einer riesigen Dogge, die nicht mehr vorhandenen Körper der Toten, und die nicht mehr lebenden Körper, mit denen Untersuchungsrichter Janusz in seinem Polizeialltag dauernd konfrontiert wird.

Vor zwei Jahren war die Polin Malgorzata Szumowska mit W imie (In the name of…) hier an der Berlinale. Das war unter anderem das Drama eines schwulen Priesters, ein etwas unentschlossener, aber lange nachwirkender Film, der mich vor allem mit seinem immer wieder aufblitzenden Humor für sich einnahm.

Body Janusz Gajos © Jacek Drygala
Janusz Gajos © Jacek Drygala

Von diesem Humor hat nun Body einiges mehr, schwärzer eingefärbt, lakonischer ausgeführt und deutlicher eingeführt. Es fängt schon damit an, dass die Leiche eines Erhängten plötzlich aufsteht und davon rennt, eine knappe Minute nachdem die Polizisten sie vom Baum geschnitten hatten.

Das ist Alltag im Leben des Untersuchungsrichters Janusz. Den Mann kann nichts mehr erschüttern. Weder das zerstückelte Neugeborene im öffentlichen Damenklo noch die Künstlerleiche im Loft voller grotesker Ölgemälde. Aber diese Unerschütterlichkeit ist auch sein Problem. Seit dem Tod seiner Frau lässt er sich jeden Abend zu Hause volllaufen und ist vollkommen überfordert mit der Bulimie seiner Tochter Olga.

Justyna Suwala, Maja Ostaszewska © Jacek Drygala
Justyna Suwala, Maja Ostaszewska © Jacek Drygala

Nach einem weiteren Suizidversuch Olgas lässt er sie in die Klinik einweisen, dort werden sie und die anderen bulimischen und magersüchtigen Mädchen von der Psychologin Anna therapiert. Ziemlich unorthodox und – wenn nicht immer erfolgreich, so doch wirkungsvoll. In einer dieser Sessions wird Olga ziemlich drastisch ihre Wut auf ihren Vater los, von dem sie sich im Stich gelassen fühlt und von dem sie denkt, dass er durch seine Ungerührtheit am Tod der Mutter mitschuldig ist.

Maja Ostaszewka © Jacek Drygala
Grossartig: Maja Ostaszewka © Jacek Drygala

Anna ist allerdings selber ein spezieller Fall. Sie leitet nicht nur die Therapiegruppe für die Magersüchtigen in der Klinik, sondern auch einen Zirkel von Menschen, die mit ihrer Trauer über den Tod geliebter Angehöriger nicht fertig werden. Denen dient sie als Medium, schreibt in Trance Briefe aus dem Jenseits und vermittelt tröstende Kontakte mit den Toten. Sie kann das, seit sie auf diese Weise über den plötzlichen Kindstod ihres Kleinkindes hinweggekommen ist. Dass sie mit einer riesigen Dogge in der Wohnung und im Bett lebt, macht sie allerdings auch nicht zur vertrauenserweckendsten Therapeutin aller Zeiten.

Body ist ein sehr physischer Film, seine Bilder zeigen nicht nur Körper, oft und gerne versehrte und gequälte Körper, sie gehen einem auch genau so oft körperlich nahe. Und so wie die Gesichter vor allem der beiden zentralen Frauen Olga und Anna auf extrem ambivalente Weise immer wieder einnehmend und abstossend zugleich wirken können, hält einen Szumowska mit ihrem ganzen Film in der Schwebe.

Janusz Gajos © Jacek Drygala
Janusz Gajos © Jacek Drygala

Faszination und Abscheu halten sich die Waage, dazu kommen der lakonische, zuweilen groteske Humor und der Stoizismus des Ermittlers. Und eine spürbare Liebe der Regisseurin zu ihren Figuren. Und die ist es dann auch, welche die finalen Einstellungen des Films zu einem jener unbeschreiblich magischen und gefährlichen Kinomomente werden lässt, die nur ganz selten glücken können.

Malgorzata Szumowska © Jacek Poremba
Regisseurin Malgorzata Szumowska © Jacek Poremba

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