Cannes 15: MON ROI von Maïwenn

'Mon roi' Emmanuelle Bercot Vincent Cassel
‚Mon roi‘ Emmanuelle Bercot Vincent Cassel

Nach kurzem Zögern wirft sich eine Frau auf Ski in die vereiste Piste, rast knirschend an einer verdatterten Familie vorbei und dann folgen auf der Tonspur ein paar jener knackenden Geräusche, wie sie nur das Kino noch besser beherrscht als das Leben.

Die Reha-Klinik als Ort nicht nur der körperlichen, sondern auch der seelischen Gesundung, das ist das eben so simple wie funktionale Setting von Maïwenns viertem Langspielfilm. Und noch viel einfacher ist das Erzählprinzip von Mon roi. Der Film besteht im Wesentlichen aus Rückblenden in die Erinnerungen von Tony (Emmanuelle Bercot, deren eigener Film La tête haute das diesjährige Festival eröffnet hat).

In Mon roi dreht sich alles in intensiven Szenen um die unmögliche Liebe zwischen Tony und dem von Vincent Cassel mit gewohnter Intensität gespielten Restaurantbetreiber. Die Anwältin und der reiche Partylöwe, die Tagpflanze und das Nachtschattengewächs, wie er sinngemäss einmal meint. Es sind Szenen einer Ehe, die sich, anders als bei Bergman, aus gescripteten Improvisationen ergeben haben. Sie wirken überzeugend, wenn auch – was in der Natur der Sache liegt – mit der Zeit etwas repetitiv.

Aber gerade das macht einen Teil des Realismus aus, schliesslich sind es ja die absehbaren Erwartungs- und Verhaltensmuster, welche jede Beziehung auf die Probe stellen. Und mit problematischen Beziehungen kennt sich Maïwenn ebenfalls aus. Als Sechzehnjährige verliebte sie sich in Luc Besson, er ist der Vater ihrer Tochter Shana, erst Ende der Neunziger Jahre trennten sich die beiden definitiv.

Maïwenns grösstes Problem, so erzählt sie im Interview, sei denn auch vor allem die Glaubwürdigkeit der Liebe zwischen den beiden gewesen, das Schreiben glücklicher Szenen, die nicht falsch wirken. Die Arbeit daran (mit Ko-Autor Etienne Comar) hat sich gelohnt. Emmanuelle Bercot und Vincent Cassel laufen gemeinsam zu Hochform auf, wenn das Paar fröhlich ist. In diesen Szenen erweist sich sogar der meist griesgrämig wirkende Louis Garrel als komödiantisches Talent. Er spiel Tonys fürsorglichen Bruder. Und Maïwenns Schwester Isild Le Besco nicht minder gut gelaunt dessen Frau.

Maïwenn stand schon als Fünfjährige vor der Kamera. In Jean Beckers Neo-Klassiker L’été meutrier von 1983 spielte sie die von Isabelle Adjani verkörperte «Elle» als Kind. Sie kann mit Schauspielerinnen und Schauspielern umgehen, und vor allem kann sie aus einem Ensemble eine Glanzleistung herausholen, wie sie im Wettbewerb von Cannes 2011 mit Polisse bewiesen hat.

Am stärksten sind denn nun auch in Mon roi die Ensembleszenen, insbesondere jene mit einer lockeren Gruppe Jugendlicher im Reha-Zentrum, der sich die Anwältin nach einiger Zeit anschliesst. Deren permanente Witzeleien und freundschaftliche Ghetto-Attitüden-Parodien zeigen ein komplett andere Welt und eine fast schon utopisch wirkende Offenheit für die anderen. Man hat Mühe, sich diese Kids in einer ähnlichen Beziehungsmühle vorzustellen.

Mon roi ist ein sehr französischer Film. Im angelsächsischen Raum dürfte er auf wenig Begeisterung stossen. Aber das Kino ist definitiv um eine weitere Variante der ewigen Beziehungskiste reicher. Und definitiv um eine aus weiblicher Sicht.

'Mon roi' Maïwenn
Maïwenn

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