Ein Mann verlässt sichtlich wütend ein schlossartiges Gebäude, bleibt kurz vor seinem Auto stehen. Blick nach oben. Im Haus schreckt die Frau auf, geht zögernd los, lässt resigniert die Arme sinken.
Wilfried Meichtrys Film setzt am Tiefpunkt ein. Die Frau ist Katharina von Arx, die Schweizer Reisejournalistin, der Mann Freddy Drilhon, Reisefotograf und Autor aus Frankreich. Die beiden haben sich in den 50er Jahren bei einer Südseereportage kennen und lieben gelernt. Jetzt sind die gemeinsamen Träume am Ende.
Gedreht wurde diese Eröffnungssequenz in Romainmôtier, im Maison du Prieur, jenem mittelalterlichen Gebäude, in dem Katharina von Arx besessen sesshaft geworden war und Freddy Drilhon zunehmend unglücklich.
Sabine Timoteo spielt Katharina von Arx in diesen rekonstruierten Szenen, zusammen mit dem in Belgien lebenden Schweizer Schauspieler Christoph Sermet, der Freddy Drilhon verkörpert.
Der grössere Teil von Bis ans Ende der Träume ist allerdings dokumentarisch. Bis Katharina von Arx am 25. Oktober 2013 überraschend gestorben war, hatte Wilfried Meichtry sie unzählige Male besucht, mit Kameramann Pierre Reischer und alleine.
Das riesige alte Haus, dass von Arx und Drilhon in den 50er Jahren als Ruine gekauft hatten, entpuppte sich als geschichtsträchtiges Baudenkmal. Für Katharina von Arx wurde das Gebäude zum Lebensmittelpunkt und Lebensprojekt. Restauration und Belebung, der Ausbau zu einem Begegnungszentrum und Archiv absorbierte Energie und frass jeden Rappen, der über das Schreiben hereinkam.
Für den entwurzelten, reisefreudigen, getriebenen Freddy Drilhon wurde das geldverschlingende Haus und das Familien-Leben in Romainmôtier zu einer unerwarteten Menage à trois, bis ihn schliesslich auch die gemeinsame Tochter nicht mehr halten konnte.
Wilfried Meichtry hat die faszinierende Geschichte des Paares vor zwei Jahren in seiner «literarischen Biografie» «Die Welt ist verkehrt, nicht wir» zusammengeführt, wie früher schon jene von Iris und Peter von Roten in «Verliebte Feinde».
Jenes Buch hatte Werner Schweizer als Film umgesetzt, der auch schon Meichtrys Dissertation über den «Fliegerbaron» von Werra zusammen mit dem Autor und mit Hardy Krüger in den Spielszenen dokufiktionalisiert hatte.
Nun hat Wilfried Meichtry gleich das ganze Projekt geleitet, von den Recherche-Gesprächen über die Literarisierung bis zur filmischen Umsetzung.
Bis ans Ende der Täume ist zu einem überraschend eleganten Film geworden. Überraschend darum, weil die Kombination von rekonstruierenden Spielfilmszenen und dokumentarischen Begegnungen nur allzu leicht etwas Gezwungenes bekommen.
Wie das wirken kann, zeigt allenfalls noch die wildgelockte Mähne, mit der Sabine Timoteo den Fotos und Filmaufnahmen von der jungen Katharina von Arx angeglichen wird. Aber abgesehen von dieser Mimikry gelingt die Verteilung von Spiel- und Dokumentarszenen nicht nur ziemlich nahtlos, sondern auch dramaturgisch schlüssig.
Denn so, wie die Szene zu Beginn des Films die stumme Verzweiflung und die Trauer über das Ende der Träume besser vermittelt, als es Erinnerungen oder Erzählungen vermöchten, so klar und eindrücklich übermitteln an anderen Stellen die Fotografien, Zeichnungen oder Aufzeichnungen der Protagonisten ein Gefühl für die Realitäten und Zwänge der 50er und 60er Jahre.
Timoteo und Sermet gelingt es in den Spielszenen, ein Lebensgefühl einzufangen, das berührt und Vertrautheit schafft. Das ist eine schauspielerische Leistung. Aber sie wird auch getragen von einer Dramaturgie, die jede Willkürlichkeit vermeidet und nur dort auf Fiktionalisierung zurückgreift, wo die Spielszenen Anziehung und Konflikt besser vermitteln, als die perspektivisch aufgefächerte Dokumentation. Oder anders gesagt: Der Spielfilm ist dem Dokfilm dort überlegen, wo wir uns mit widersprüchlichen Gefühlen und Befindlichkeiten identifizieren sollen.
Bis ans Ende der Träume ist damit ein Film geworden über eine Zeit der Öffnungen in der europäischen Geschichte, über Wunden, Zwänge und Träume. Und zugleich ein Denkmal für zwei Menschen und einen Ort.
Die SRG hat diesen Film koproduziert.
Premiere am 26. Januar 2018 um 21 Uhr an den 53. Solothurner Filmtagen.
Kinostart am 1. Februar 2018