Locarno 18: AMUR SENZA FIN von Christoph Schaub (ausser Konkurrenz)

Gieri (Bruno Cathomas) und Mona (Rebecca Indermaur, sitzend) feiern zwanzig Ehejahre © SRF/Pascal Mora

Mann geht fremd in einem Bündner Dorf. Und die Frauen lassen das nicht auf sich sitzen. Es ist nicht der bescheidene komödiantische Plot, welcher den durchaus vorhandenen Charme dieses Fernsehfilms ausmacht.

Amur senza fin sei der erste professionelle Spielfilm in rätoromanischer Sprache, meinen die Produzenten von der SRG und von Zodiac Pictures. Das stimmt wohl, wenn man die Betonung auf «professionell» legt.

Der neue Pfarrer (Murali Perumal) kommt an im Dorf © SRF/Pascal Mora

Allerdings war Tonia Maria Zindel, welche hier die feurige Giulia spielt (wieder eine Giulia in einem Spielfilm von Christoph Schaub), schon 1993, mit zarten 21 Jahren, die geheimnisvolle Strinsla in Dino Simonetts La rusna pearsa (Das verlorene Loch).

Simonett spann damals schon konsequent auf Rätoromanisch eine sagenhafte Geschichte um Glaubenskonflikte und Familien. Allerdings zu guten Teilen mit Laiendarstellern. Und auch La rusna pearsa wurde hier in Locarno uraufgeführt, damals, vor 25 Jahren.

Rebecca Indermaur, Murali Perumal, Tonia Maria Zindel © SRF/Pascal Mora

Nun waren für Amur senza fin durchs Band weg Profis am Werk, man könnte auch sagen: Routiniers. Allen voran Drehbuchautorin Sabine Pochhammer. Von ihr stammte das Buch für Bettina Oberlis gefeierte Komödie Die Herbstzeitlosen von 2007, sie schreibt für Fernsehserien und hat unter anderem am Drehbuch für Feuchtgebiete mitgebaut.

Vom Plot her ist Amur senza fin ein Update der Herbstzeitlosen. Eine ähnliche Figurenkonstellation, eine Frau, die gegen den Willen ihres Mannes ein Café aufmacht, ein Hauch von Frauensolidarität, und polternde Männerhilflosigkeit.

Rebecca Indermaur, Murali Perumal © SRF/Pascal Mora

Das könnte zu schulterzuckendem Déjà vue führen, wäre da nicht ein entscheidender Unterschied: Die Frauen in Amur senza fin sind nicht mehr erwachende Unterdrückte, sondern vom ersten Moment an moderne, selbstbestimmte, autonome und durchsetzungswillige Figuren. Während die Männer es zwar zum Teil noch mit Poltern und Drohen versuchen, aber heimlich schon längst verstanden haben, dass es an ihnen liegt, sich richtig zu verhalten.

Die Männer auf der Hochwildjagd © SRF/Pascal Mora

Das alleine würde genügen, um Amur senza fin als Herbstzeitlose 2.0 einigermassen interessant zu machen. In Kombination mit dem eleganten Umgang mit Rätoromanisch und Bündner Deutsch und den bewährten, wirklich starken Darstellerinnen und Darstellern wird dann allerdings unter der Regie von Christoph Schaub noch etwas mehr daraus: Einer jener Fernsehfilme, die eigenständig genug sind, um in Erinnerung zu bleiben, eine revolutionslose, quasievolutionäre Zeitmarke.

Das hat wohl auch damit zu tun, dass das Reservoir an romanischsprechenden Schauspielerinnen und Schauspielern naturgemäss begrenzt ist. Darum wurde sozusagen invers gecastet. Statt, wie üblich, für fertig geschriebene Rollen die passenden Darstellerinnen und Darsteller zu suchen, wurde dem kleinen Pool an romanischsprechenden Profis die Rollen auf den Leib und auf den Mund geschrieben.

Amur senza fin wird in Locarno heute,
morgen und am 3. August gezeigt.

In unserer ersten Locarno-Live-Sendung am 2. August um 11 Uhr auf SRF4 News sind Rebecca Indermaur, Tonia Maria Zindel und Christoph Schaub mit dabei.

Die Fernseherstausstrahlung auf SRF1 ist für den
23. September um 20.05 Uhr vorgesehen

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