Berlinale 19: ICH WAR ZUHAUSE, ABER von Angela Schanelec

Jakob Lassalle, Clara Möller © Nachmittagfilm

Nicht nur laute Filme vermögen zu polarisieren – auch der Film Ich war zuhause, aber der Berliner Regisseurin Angela Schanelec im Wettbewerb der Berlinale hat die einen begeistert, andere geärgert.

Das liegt am konsequenten Stil der Filmemacherin, einer Vertreterin der Berliner Schule. Ihre Filme lassen einen in keinem Moment vergessen, dass man im Kino sitzt, entführen nicht leichtfüssig in eine Geschichte rein, versuchen nie, das Medium vergessen zu machen.

Im Gegenteil – die Inszenierung immer mitzeigen, mitdenken, die Zuschauerinnen und Zuschauer damit herausfordern, das ist Programm in Schanelecs Filmen.

Ich war zuhause, aber beginnt tierisch: Wir sehen erst einen rennenden Hund, einen rennenden Hasen, danach einen Hund, der in einem Abbruchhaus einen Hasen frisst – und ein Esel, der dabei scheinbar gelangweilt aus dem Fenster schaut.

Maren Eggert, Dane Komljen © Nachmittagfilm

Danach beginnt die Geschichte einer dreifachen Mutter, die ihren Mann, einen Theaterregisseur, verloren hat. Zum Anfang taucht ihr ältester Sohn, der für eine Woche verschwunden war, wortlos wieder auf.

Überhaupt wird am Anfang dieses Films für eine ganze Weile gar nichts gesprochen, aber viel erzählt. Dass der Junge lang weg war, wird nur per Bildsprache vermittelt – verdreckt taucht er in seiner Schule auf, wird von seiner Mutter abgeholt; später bringt sie seine schmutzige Jacke in die Reinigung.

Entlang einzelner Szenen, sehr statisch inszeniert, seziert Schanelec die Beziehungsgeflechte der Familie, die Trauer der Frau, die ihre Wahrnehmung der Welt – und der Kultur – verändert.

In einer kathartischen Szene, in der sie mit einem Theaterregisseur über dessen Stück reden möchte, bricht es aus ihr heraus: Sie steigert sich in einen unglaublichen Redefluss bei der Kritik seines Stückes, erklärt ihm, warum es unzulässig sei, eine Tänzerin mit einer kranken Frau auf der Bühne zusammen zu inszenieren. Immer lauter wird sie, als ginge es um Leben und Tod. Und darum geht es ja auch.

Zwischen den Szenen aus dem Leben der Frau – eindrücklich gespielt von Maren Eggert – sieht man immer wieder eine Schulklasse (ungefähr späte Primarschule), die Hamlet probt.

Das ist alles so inszeniert, dass nie auch nur den Hauch einer Illusion von Realität entsteht. Die Theater spielenden Schülerinnen und Schüler (und die, die nur im Klassenzimmer sitzen und zuschauen) bleiben sehr statisch, rezitieren, verhalten sich überhaupt nicht wie Kinder in einer Schule.

Franz Rogowski, Lilith Stangenberg © Nachmittagfilm

Und auch die Figuren im Leben der Mutter stehen oder sitzen sehr bewegungslos herum, auch wenn sie miteinander sprechen. Szenen wirken wie Tableaus, bleiben lange stehen. Bild reiht sich an Bild.

Das ist anstrengend, vor allem mitten in einem Festivalwettbewerb, wenn ein Film nach dem anderen an einem vorbeirauscht. Das hat bisweilen sogar provozierende Wirkung in seiner ständigen intellektuellen Inszenierung der Inszenierung.

Man muss diese Art von Kino nicht mögen, (mich hat der Film gar nicht angesprochen), aber man muss anerkennen, dass es gute und überlegte Kunst ist, dass es formal komplett durchdacht ist, dass jedes Bild, jedes Wort genau da ist, wo es hingehört.

Zum Schluss des Films sind wir wieder beim Esel, der aus dem Fenster schaut, dann den Kopf dreht und uns direkt anblickt.

Auf die Frage, was die Tiere für eine Bedeutung hätte, antwortete die Regisseurin: gar keine, sie habe einfach Tiere filmen wollen. Was natürlich eine in den Saal gestellte Behauptung ist, wie ihr ganzer Film auch. Ich war zuhause, aber ist eine filmische Zumutung, die grosse Chancen auf einen Preis hat hier an der Berlinale.

Angela Schanelec © Joachim Gern