THE SURVIVAL OF KINDNESS von Rolf de Heer

‚The Survival of Kindness‘ BlackWoman (Mwajemi Hussein, R) BrownGirl (Deepthi Sharma) © Triptych Pictures and Vertigo Productions

Wenn es die Serie The Walking Dead nicht gäbe, wäre dieser Film auch in seiner Ästhetik einzigartig. Rolf de Heer hat im Outback eine Zombie-Apokalypse ohne Zombies gedreht, eine Welt-Parabel um Kolonialismus, Rassismus, Sklaverei, Unterdrückung.

Am Anfang sehen wir Männer und Frauen in Gasmasken, die einen Kuchen aufteilen, der eine Art KZ-Szene in Miniatur darstellt: Baracken und ein paar dunkelgesichtige Leichen dazwischen.

‚The Survival of Kindness‘ Blackwoman (Mwajemi Hussein) © Triptych Pictures and Vertigo Productions

Dann wird BlackWoman – die Figur wird im Abspann so genannt, weil sie für alle steht, wie auch alle anderen Figuren dieses Films – in einem eisernen Käfigwagen in die Wüste gefahren und dort stehen gelassen.

Die Tage vergehen, die Nächte ziehen über den Himmel. Die grossen Ameisen kommen aus dem Boden und töten die kleineren.

Schliesslich findet BlackWoman einen Weg, sich zu befreien, und zieht barfuss los, durch die Wüste, den Busch, über den Fluss, den Berg.

BlackWoman (Mwajemi Hussein) begräbt GraveDigger (Noel Wilton)

Sie trifft auf Tote und Sterbende, eine Seuche rafft jene Menschen dahin, die keine Gasmasken tragen. Und die Gasmaskenträger verfolgen die Farbigen, bringen sie um, fahren sie zum Sterben in die Wüste.

Rolf de Heers Film erinnert an den abenteuerlichen Simplicissimus von Grimmelshausen, an die Geschichten von der Wanderschaft durch die Wirren und Leiden und Kriege der Menschheit. Aber der Film hat kaum «barocke» Züge. Im Gegenteil: Abgesehen von den grossen Landschaftseindrücken bleibt alles lokal und szenisch.

‚The Survival of Kindness‘ Blackwoman (Mwajemi Hussein) © Triptych Pictures and Vertigo Productions

BlackWoman trifft auf mannigfaltige Bösartigkeiten, Gehängte, Ermordete, eine vergewaltigte Frau, die sich gewehrt hat. Und jede Szene macht ohne Umstände klar und deutlich, was passiert ist, ohne mehr zu zeigen, als dafür absolut nötig ist.

‚The Survival of Kindness‘ BlackWoman (Mwajemi Hussein, R) BrownGirl (Deepthi Sharma) © Triptych Pictures and Vertigo Productions

Wie auch schon in früheren Filmen kombiniert Rolf de Heer Mythologie und Natur-Metaphorik. Er verzichtet auf konkrete Sprache, die Gasmaskenträger klingen beim Reden abstrakt wie Animationsfilmfiguren. Wenn BlackWoman und BrownGirl schliesslich ein paar Worte in ihren jeweiligen Sprachen äussern, machen beide klar, dass sie einander nicht verstehen, nicht in den Worten.

The Survival of Kindness ist paradoxerweise ein schöner Film über eine unschöne Welt. Nicht zuletzt, weil die sichtbare Schönheit völlig losgelöst neben der Grausamkeit weiter existiert.

Rolf de Heer © Vertigo Productions

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