MANODROME von John Trengove

Jesse Eisenberg als Ralphie © Wyatt Garfield

Filme, die direkt den Zeitgeist treffen, wie ein elektrischer Schock, sind rar. Martin Scorseses Taxi Driver war so ein Phänomen. David Finchers Verfilmung von Fight Club verschaffte dann dem Zeitgeistroman von Chuck Palahniuk mit Verzögerung eine konsumierbar breite Hochglanzoberfläche.

Ähnlich David Cronenberg, mit seinem Versuch, J. G. Ballards Roman «Crash» Jahrzehnte nach dem Erscheinen einen adäquaten filmischen Ausdruck zu geben. Stanley Kubrick hingegen geriet mit seiner Adaption von Clockwork Orange in England in des Teufels Küche, weil das Buch wohl seiner Zeit etwas voraus war, der Film dann aber genau die richtige (oder, für seine Auswertung, die falsche) Zeit vorfand.

Odessa Young, Jesse Eisenberg © Wyatt Garfield

Wie weit sich John Trengoves Manodrome mit dem akuten zeitgeistigen Schmerzpegel trifft, wird sich wohl erst in ein paar Jahren sagen lassen.

Im Moment wirkt der Film wie eine warnende Zusammenfassung all dessen, was wir an toxischer Männlichkeit, «Proud Boys»-Wahnsinn und Incel-Idiotie in den letzten Jahren zusammengetragen haben.

Jesse Eisenberg spielt diesen rothaarigen Ralphie, arbeitsloser Uber-Fahrer, werdender Vater, Sohn einer alleinerziehenden Mutter mit offensichtlich tiefem Vaterkomplex.

Beim Pumpen im Gym nimmt er sich neben den gestählten Körpern all der Prachtsmänner seltsam schmal und verbissen aus. Seine Blicke auf die Körper der anderen verraten den homophoben Auto-Closet-Case, bevor er das erste Mal offen aggressiv auftritt.

Adrien Brody ist „Dad Dan“ © Wyatt Garfield

Dann fällt er auch noch dem Männlichkeits-Guru «Dad Dan» (Adrien Brody) in die Hände, der seine vielen indoktrinierten Ziehsöhne zusammen mit ein paar bärtigen Unter-Dads in einer Art Playboy Mansion im ewigen Jungschar-Lager von der «Gynosphäre» fernhält, jener Weiblichkeit, die den Männern jeglichen Respekt verweigert.

Brody spielt den Flacker-Macker mit weit mehr Zurückhaltung als seinerzeit Tom Cruise seinen Schwanz-Prediger («Respect the cock!») in Paul Thomas Andersons Magnolia 1999. Aber seither sind ja auch die «Proud Boys» um unzählige weitere Männlichkeitshorden erweitert worden und Brody gelingt es recht gut, die psychologische Verführungsmethode nachvollziehbar zu machen.

Jesse Eisenberg © Wyatt Garfield

Allerdings geht Trengove dann auch wieder deutlich über die pamphletartigen Sekten-Funktionswarnungen hinaus. Einerseits, indem er die unterdrückte Homoerotik seines Ralphie ganz schulbuchmässig zur homophoben Explosion führt.

Andererseits, in dem er einige überraschende Wendungen einbaut, die Eisenbergs Ralphie wieder näher an Travis Bickle heranführen als man zunächst erwarten würde.

Manodrome ist ein deprimierend hämmernder, erschreckender Film, dem man seine Realitätsverwurzelung nicht absprechen kann. Auf die verführerische Komponente, welche etwa Fight Club oder Clockwork Orange zu schillernden Klassikern gemacht hat, verzichtet dieser Film konsequent.

John Trengove © Wyatt Garfield

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