Duisburg 09: SOUNDS AND SILENCE von Norbert Wiedmer und Peter Guyer

Manfred Eicher und Arvo Pärt in Sounds and Silence
Manfred Eicher und Arvo Pärt in 'Sounds and Silence'

Filme reagieren auf ihre Umgebung, das ist eine klassische Festivalerkenntnis. Am Filmfestival von Locarno, letzten Sommer im August, konnten sich die Schweizer Dokumentarfilmer Norbert Wiedmer und Peter Guyer anlässlich der Uraufführung von Sounds & Silence feiern lassen. An der Viennale vor einer Woche wurde die Vorführung zu einem kleinen Triumph – nicht zuletzt dank der der Anwesenheit etlicher Musiker aus dem Film rund um den renommierten Produzenten Manfred Eicher. Hier in Duisburg heute morgen gab es neben der Begeisterung aber auch kritische Stimmen – und gerade dies spricht paradoxerweise wieder für den Film: Die Duisburger Filmwoche, bekannt, beliebt und berüchtigt für ihre Diskussionskultur und die ideologischen Grabenkämpfe im Publikum ist in den letzten Jahren zahmer geworden. Das heisst: Das Publikum ist jünger und zahmer geworden, Ideologie, politische Grundsätze, theoretische Vorgaben sind ihm zunehmend fremd geworden, und insofern waren die Diskussionen in diesem Jahr (wie immer in den wunderbaren Protokollen nachzulesen) weitgehend einem Konsens verpflichtet. Anders bei Sounds and Silence:

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Filmpodcast Nr. 154: Mary & Max, The Informant, Wende und Film.

Mary And Max Max typing

Hier ist Kino im Kopf, heute mit Brigitte Häring. und mit diesen Filmen: Hannes Nüsseler stellt den zauberhaften Knetmännchenfilm Mary & Max vor, Michael Sennhauser hat den neuen Soderbergh-Film The Informant gesehen. Zum 20. Wendejubiläum hat sich Sennhauser überdies mit Nicole Reinhard vom Stadtkino Basel und mit Beat Schneider vom Zürcher Kino Xenix über den DDR-Film unterhalten. Dazu gibt’s wie gewohnt das Tonspurrätsel – und unsere 5 Tipps zu den Filmen, die Sie nicht verpassen sollten.

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Duisburg 09: BESPRECHUNG von Stefan Landorf

Besprechung von Stefan Landorf

Es sind die abstrakten Arbeitswelten, mit denen sich die Künstler in aller Regel am wenigsten gerne auseinandersetzen. Filme über Handwerker und Arbeiter gibt es jede Menge, aber mit dem, was die Tage des grossen westlichen Mittelstandes ausfüllt, weiss mit Ausnahme von Harun Farocki kaum jemand etwas anzufangen. Warum nicht? Eine Antwort wäre: Weil da nichts passiert, weil da nur geredet wird, besprochen, geplant. Stefan Landorf ist damit nicht einverstanden. Der ehemalige Arzt, der, wie er selber sagt, seinem Fachgebiet und dessen Fachsprache nur knapp entronnen ist, isoliert mit Besprechung das menschliche Ritual, das institutionalisierte Drama der gewöhnlichen „Sitzung“. Er hat Sitzungen gefilmt, in grossen und kleinen Firmen, bei der Bundeswehr, der Kinderhilfe, in einem selbstverwalteten Internat, bei einer Bank. Von diesen Sitzungen zeigt er grosse Ausschnitte, einzelne Phrasen hat er herausgelöst und lässt sie von den Protagonisten isoliert noch einmal einsprechen. Und er lässt die gleichen Phrasen von jungen Schauspielern nachsprechen, während diese farbige Trennwände durch einen Raum schieben. So bekommen diese Formulierungen, Sprachhülsen, Wendungen plötzlich eine Gravitas, ein mitunter komisches, oft aber auch ein trauriges Gewicht.

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Die Unverpassbaren, Woche 46

Matt Damon ist 'The Informant' © Warner Bros
Matt Damon ist 'The Informant' © Warner Bros

Und hier wieder – aus der Ferne gebloggt – die donnerstäglichen fünf Filme aus dem aktuellen Deutschschweizer Angebot, welche meiner Meinung nach niemand verpassen sollte:

  1. Mary & Max berührend schönes, tabufreies und rotzfreches Plastillinkino aus Australien.
  2. The Informant Irrwitziges Verwirrspiel in Kreisen des FBI und der Wirtschaftskriminalität. Mit einem einmal mehr perfekt unscheinbaren Matt Damon.
  3. El nido vacio von Daniel Burman aus Argentinien. Der Film ist ein kleine Schule des Sehens.
  4. Das Weisse Band von Michael Haneke. Ein präziser Entwurf zur Jugend jener Generation, die später Hitler wählte.
  5. Gigante von Adrián Biniez. Ein überraschender Film aus Uruguay mit einem wunderbaren, massigen Hauptdarsteller.

Duisburg 09: OCEANUL MARE von Katharina Copony

oceanul mare von Katharina Copony

Wenn ich gestern im Blogeintrag zu Lost Town von Jörg Adolph behauptet habe, dass die besten Dokumentarfilme jene seien, welche die Geschichte ihrer Entstehung miterzählen, so ist es nicht mehr als folgerichtig, wenn mich heute eine österreichische Filmemacherin mit ihrem Film daran erinnert hat, dass das gar nicht immer nötig ist: Oceanul mare von Katharina Copony braucht sie gar nicht, diese unterschwelligen Strukturen der Blicklenkung, weil der Film nie behauptet, eine gewonnene Erkenntnis weitergeben zu wollen. So wie Copony drei Protagonisten der chinesischstämmigen Einwandererschaft in Bukarest filmt, ermöglicht sie einen Erkenntnisprozess, der sich mit dem ihren nicht zu decken braucht. Natürlich hat sie mit Dolmetscherinnen gearbeitet (gleich mit zweien, eine für Mandarin und eine für Rumänisch) natürlich stellt sie uns Untertitel zur Verfügung und natürlich hat sie gezielt ausgewählt, welche Erzählungen der Einwanderer sie auf welche Weise montiert und mit ergänzenden Bildern unterlegt. Aber was es für mich dabei zu gewinnen gibt, muss ich schon selber entscheiden.

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Kino in der DDR – Die DDR im Kino. Von der Spur der Steine in die Sonnenallee.

Spur der Steine Sonnenallee Plakatmontage

Die DDR hatte nicht alles, aber sie produzierte Filme. Doch was hat die staatlich geförderte, kontrollierte und instrumentalisierte Film- und Kinokultur ausgezeichnet? Was blieb von ihr? Und wie ging das deutsche Kino die Vergangenheit nach der Wende an? Michael Sennhauser diskutiert mit Nicole Reinhard, Leiterin Stadkino Basel und Kinemathek Le Bon Film sowie Beat Schneider, Ko-Leiter Stadtkino Basel und Kino Xenix Zürich. Sie beide haben entsprechende Retrospektiven programmiert.

Sendezeiten: Mittwoch, 4.11.2009, 11.03-11.35 Uhr, 22.03-22.35, DRS2

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DRS2-Serie: 20 Jahre Mauerfall – Wunder, Wende, Wandel (2/8)


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Duisburg 09: LOST TOWN von Jörg Adolph

LOST TOWN von Jörg Adolph

Filme sind immer auch gefährdete Projekte, und insbesondere Dokumentarfilme sind risikobehaftet, weil die Filmenden oft nicht wissen, wie ihre Geschichte schliesslich enden wird. Darum erzählt jeder gute Dokumentarfilm auch die Geschichte seiner eigenen Entstehung mit. Jörg Adolph begleitete für Lost Town über etliche Jahre hinweg die jungen Münchner Architekten Anne Niemann und Johannes Ingrisch auf ihrem Feldzug für ein preisgekröntes Projekt. Die beiden hatten, gleich nach dem Studium, einen britischen Konzeptwettbewerb gewonnen, mit ihrem Plan, an der erodierenden englischen Ostküste eine oder mehrere im Meer verschwundene Kirchen als Silhouetten aus rostfreien Stahlsäulen wieder in Erinnerung zu rufen. Der Preis bestand in der Finanzierung einer konkreten Machbarkeitsstudie, welche erfolgreich abgeschlossen wurde. Bis auf den erbitterten Widerstand der Menschen in dem kleinen Ort, wo das Projekt geplant war.

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Duisburg 09: Scharf beobachtete Grossmütter

'Schneeränder' von Nele Wohlatz
'Schneeränder' von Nele Wohlatz

Auch wenn die Duisburger Filmwoche, wie ihr langjähriger Leiter Werner Ruzicka glaubhaft versichert, es normalerweise vermeidet, ähnlich gelagerte Filme am gleichen Tag zu programmieren, so hat sich heute doch eine überaus reizvolle Kombination ergeben. Schneeränder von Nele Wohlatz und Sämtliche Wunder von Juliane Henrich sind Enkelinnenfilme. Beide haben ihre in ihrer Beweglichkeit eingeschränkten greisen Grossmütter mit der Videokamera beobachtet, haben mit vergleichbarer Ausgangslage zwei komplett unterschiedliche Dokumentarfilme gemacht, völlig unabhängig voneinander. Und beide Filme haben neben einer ausgemachten Respektshaltung auch einen gruseligen Unterton: Schau, das ist das Alter. Während aber Wohlatz mit ihrer Kamera zu einem Teil des Gehirns ihrer Grossmutter wird, bleibt Henrich auf Distanz, wird von ihrer Grossmutter auf Distanz gehalten: Hol Dir etwas zu trinken, Mädchen! Aber erst mal einzeln:

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Duisburg 09: ‚Ruhr‘ radikal – James Benning

James Benning Ruhr Tunnel

Menschen kommen in James Bennings 120minütigen Monument vor allem indirekt vor. So wie der Amerikaner mit deutschen Wurzeln seinen Blick auf das Ruhrgebiet und dessen ihm noch unbekannte mögliche Essenz legt, hat sich wohl auch von den Einheimischen noch nie jemand gesehen. Als Eröffnungsfilm der aktuellen 33. Duisburger Filmwoche war Ruhr gestern Abend ein intensives, forderndes Erlebnis. Als TV-Erstaufführung auf 3sat heute Nacht um 23 Uhr wird der Film vor allem ein Experiment sein.

Im Kino sind wir gestern Abend drangeblieben, an den fixen Einstellungen Bennings. Wir haben unsere Blicke, manchmal auch leise stöhnend, über die grosse Leinwand geschickt, das Bild mit den Augen scannend, immer in der Hoffnung, es möge was passieren, es solle sich etwas erschliessen, und manchmal passierte etwas, und meistens erschloss sich etwas. Was also wollte der Amerikaner uns sehen machen? Was kam da auf die Leinwand?

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Filmpodcast Nr. 153: El nido vacío, Barfuss nach Timbuktu, Bernhard Wicki, Gérard Depardieu, Filmpodium Zürich.

Ernst Äbi in 'Barfuss nach Timbuktu' © Mesch & Ugge AG
Ernst Äbi in 'Barfuss nach Timbuktu' © Mesch & Ugge AG

Herzlich Willkommen zu Kino im Kopf mit Michael Sennhauser. Heute stelle ich den argentinischen Film El nido vacío vor, und Brigitte Häring den Schweizer Dokumentarfilm Barfuss nach Timbuktu, über den Künstler Ernst Aebi. Ausserdem erinnere ich an Bernhard Wicki, der 90 Jahre alt geworden wäre diese Woche. Brigitte Häring hat den Winzer Gérard Depardieu getroffen. Und die gesamte Leitung des Zürcher Filmpodiums, das sein 25. Kinojubiläum feiert. Dazu wie gewohnt eine Tonspur zum Rätseln – und die Empfehlung der unverpassbaren Filme.

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