Locarno 16: Die Preise

Goldener Leopard für Ralitza Petrova, Bulgarien
Goldener Leopard für Ralitza Petrova, Bulgarien

Der goldene Leopard von Locarno geht dieses Jahr nach Bulgarien, an die Filmemacherin Ralitza Petrova für ihre ungebremst niederschmetternde Bestandesaufnahme Godless (Gottlos). Auch wenn der Titel die Vermutung aufkommen lässt, geht es in dem Film keineswegs um die Abwesenheit religiöser Werte, sondern eigentlich um den Verlust jeglicher menschlichen Orientierung.

Pardobalken2016

In einem Land voller Korruption schlägt sich die Hauptfigur, eine Altenpflegerin, einigermassen durch, indem sie die ihr Anvertrauten gewissenlos ausnimmt, ihre Identitätskarten stiehlt und sie für illegale Geschäfte weiterverkauft. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, in welches Elend das ihre zum Teil bereits dementen Patienten stürzen wird.

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Locarno 16: BANGKOK NITES von Katsuya Tomita (Wettbewerb)

Bangkok Nites (6)

«Dieses Land ist das Paradies. Solange du draussen bleibst.» Das sagt einer der Männer in Thailand zum Japaner Ozawa (gespielt von Regisseur Tomita selbst). Ozawa war Soldat in der japanischen «Verteidigungsarmee» und hat nach seiner Dienstzeit nie richtig Fuss gefasst im Leben.

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Er ist, warum auch immer, einer der wenigen Freunde im Leben von Luck, die eigentlich Ling heisst und wie tausende anderer Frauen vom Land nach Bangkok gekommen ist, um als Prostituierte die Familie Zuhause zu versorgen.

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Locarno 16: GODLESS (Безбог) von Ralitza Petrova (Wettbewerb)

© Klas Film
© Klas Film

«Die Väter haben uns kaputt gemacht, ihre Söhne machen uns nun fertig», sagt der alte Yoan in einer Szene dieses Films. Die ambulante Altenpflegerin Gana hat ihn in den Steinbruch gefahren, in dem er jahrelang Gefangener war. Mitten im Geröll erinnert eine Gedenktafel an die Opfer des Kommunismus.

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Dreissig Jahre nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in Bulgarien sei noch immer keine Besserung in Sicht, sagt die bulgarische Regisseurin Ralitza Petrova. Das Leben in dem Land sei für die meisten Menschen hart, Korruption allgegenwärtig und Hoffnung gebe es allenfalls dann, wenn alles verloren sei.

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Locarno 16: DAO KHANONG (By the Time It Gets Dark) von Anocha Suwichakornpong (Wettbewerb)

Dao Khanong (3)

Die Thailänderin Anocha Suwichakornpong ist eine erfahrene Filmemacherin, und offenbar auch eine reflektierte. Jedenfalls ist Dao Khanong wahrscheinlich in erster Linie ein Film über das Filmemachen.

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In aller Regel sind gerade wir Filmjournalisten und -Kritiker die grössten Fans solcher Übungen, kommen sie doch im idealen Fall unserer eigenen Arbeit sehr nahe. Aber leider nicht ins diesem Fall.

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Locarno 16: VOR DER MORGENRÖTE von Maria Schrader (Piazza Grande)

Josef Hader als Stefan Zweig © filmcoopi
Josef Hader als Stefan Zweig © filmcoopi

Die allererste Einstellung dieses Films könnte auch die letzte sein. Ein Meer von Blumen, arrangiert in einem einzigen riesigen Gesteck. Die Kamera fährt leicht zurück, das Gesteck erweist sich als Gedeck. Es ist die riesige Festtafel im Speisesaal des Jockey-Clubs in Rio de Janeiro.

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Hier trifft sich im August 1936 die intellektuelle und die politische Elite Brasiliens zu Ehren des österreichischen Autors Stefan Zweig, der sich das Land als nächste Station seines Exils ausgesucht hat.

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Locarno 16: DER TRAUMHAFTE WEG von Angela Schanelec (Wettbewerb)

Der traumhafte Weg (4)

Der traumhafte Weg ist mehr als nur der Titel dieses Films, er ist sein Programm. Kunstkino vom Härtesten, eine Zumutung, fand hier der eine oder die andere.

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Dabei ist gleich darauf hinzuweisen: Die Zumutung, so es denn eine wäre, besteht sicher nicht in mangelnder Konsequenz oder Durchdachtheit. Bei diesem Film ist eine rücksichtslose Intelligenz am Werk, eine Verweigerung des standardisierten Erzählens.

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Locarno 16: LA IDEA DE UN LAGO von Milagros Mumenthaler (Wettbewerb)

Carla Crespo © Look now!
Carla Crespo © Look now!

Als sie hier in Locarno 2011 mit ihrem Erstling Abrir puertas y ventanas den goldenen Leoparden gewann, hatte Milagros Mumenthaler ihr kürzlich geborenes Kind dabei. Im Jahr darauf war noch ihr Kurzfilm Menuet zu sehen, entstanden im Rahmen der Westschweizer Reihe «La faute à Rousseau».

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Nun ist Mumenthaler mit ihrem zweiten Langspielfilm wieder im Wettbewerb von Locarno. Wer ihren Erstling mochte, wie ich, war gespannt. Wer ihn für seine scheinbare Leichtigkeit hasste, wie viele andere, hat auf Bestätigung gewartet. Ein bisschen enttäuscht wurden wir alle.

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Locarno 16: MARIJA von Michael Koch (Wettbewerb)

Sahin Eryilmaz (Cem), Margarita Breitkreiz (Marija) © frenetic
Sahin Eryilmaz (Cem), Margarita Breitkreiz (Marija) © frenetic

«Wenn Du sie nicht abziehst, ziehen sie dich ab», erklärt Cem (Sahin Erylmaz) der stumm empörten Marija (Margarita Breitkreiz) in einer der heruntergekommenen Wohnungen, die er überteuert an illegal eingewanderte Landsleute vermietet.

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Eben hat er einem verzweifelten Vater ungerührt dreihundert Euro abgeknöpft dafür, dass er ihm hilft, den Kindergeld-Antrag für seine drei kleinen Kinder auszufüllen und aufzugleisen.

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Locarno 16: O ORNITÓLOGO (The Ornithologist) von João Pedro Rodrigues (Wettbewerb)

Fernando, der Vogelkundler (Paul Hamy)
Fernando, der Vogelkundler (Paul Hamy)

Fernando, ein portugiesischer Ornithologe, ist mit dem Kajak unterwegs auf einem Fluss, auf der Suche nach wilden Störchen. Er kentert in den Stromschnellen und wird von zwei verirrten chinesischen Santiago-Pilgerinnen gerettet.

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Er verspricht, sie aus dem Wald zurück über die spanische Grenze zu führen. Aber am nächsten Tag erwacht er kunstvoll gefesselt, die Füsse im Wasser zwischen den Bäumen stehend.

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Locarno 16: PAULA von Christian Schwochow (Piazza Grande)

Otto Modersohn (Albrecht Abraham Schuch) und Paula (Carla Juri) © filmcoopi
Otto Modersohn (Albrecht Abraham Schuch) und Paula (Carla Juri) © filmcoopi

Die erste Einstellung zeigt ein hochformatiges Bild von hinten, gehalten von zwei Händen. Die Frau, die dahinter auf dem Sofa sitzt, klappt das Bild wie eine Zugbrücke herunter und nimmt dabei eine väterliche Standpauke entgegen.

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Sie ist ein fröhliches Biest, diese Paula Becker. Eine junge Frau mit Ambitionen jenseits der bürgerlichen Laufbahn, die sich ihr Vater für die 24jährige Tochter gewünscht hätte. Paula will malen, und nicht etwa Aquarelle mit Wiesenblumen, sondern richtig, und wild, in Worpswede, der kleinen Künstlerkolonie im Teufelsmoor bei Bremen.

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