Duisburg 09: Scharf beobachtete Grossmütter

'Schneeränder' von Nele Wohlatz
'Schneeränder' von Nele Wohlatz

Auch wenn die Duisburger Filmwoche, wie ihr langjähriger Leiter Werner Ruzicka glaubhaft versichert, es normalerweise vermeidet, ähnlich gelagerte Filme am gleichen Tag zu programmieren, so hat sich heute doch eine überaus reizvolle Kombination ergeben. Schneeränder von Nele Wohlatz und Sämtliche Wunder von Juliane Henrich sind Enkelinnenfilme. Beide haben ihre in ihrer Beweglichkeit eingeschränkten greisen Grossmütter mit der Videokamera beobachtet, haben mit vergleichbarer Ausgangslage zwei komplett unterschiedliche Dokumentarfilme gemacht, völlig unabhängig voneinander. Und beide Filme haben neben einer ausgemachten Respektshaltung auch einen gruseligen Unterton: Schau, das ist das Alter. Während aber Wohlatz mit ihrer Kamera zu einem Teil des Gehirns ihrer Grossmutter wird, bleibt Henrich auf Distanz, wird von ihrer Grossmutter auf Distanz gehalten: Hol Dir etwas zu trinken, Mädchen! Aber erst mal einzeln:

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Duisburg 09: ‚Ruhr‘ radikal – James Benning

James Benning Ruhr Tunnel

Menschen kommen in James Bennings 120minütigen Monument vor allem indirekt vor. So wie der Amerikaner mit deutschen Wurzeln seinen Blick auf das Ruhrgebiet und dessen ihm noch unbekannte mögliche Essenz legt, hat sich wohl auch von den Einheimischen noch nie jemand gesehen. Als Eröffnungsfilm der aktuellen 33. Duisburger Filmwoche war Ruhr gestern Abend ein intensives, forderndes Erlebnis. Als TV-Erstaufführung auf 3sat heute Nacht um 23 Uhr wird der Film vor allem ein Experiment sein.

Im Kino sind wir gestern Abend drangeblieben, an den fixen Einstellungen Bennings. Wir haben unsere Blicke, manchmal auch leise stöhnend, über die grosse Leinwand geschickt, das Bild mit den Augen scannend, immer in der Hoffnung, es möge was passieren, es solle sich etwas erschliessen, und manchmal passierte etwas, und meistens erschloss sich etwas. Was also wollte der Amerikaner uns sehen machen? Was kam da auf die Leinwand?

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1. Porn Film Festival Zürich

Zurich Porn Film Festival

Die Schattenindustrie der siebten Kunst hat schon immer am dicht am Puls der Gesellschaft funktioniert. Trotzdem dürften die Veranstalter des 5. Zurich Film Festivals (24. Sept. – 5. Okt) nicht völlig begeistert sein von der unerwarteten Konkurrenz des ersten Porn Film Festivals Zürich, das nicht nur parallel stattfindet, sondern gar noch zwei Tage länger dauert (24. September bis 7. Oktober 2009).

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Karl Spoerri vom Zurich Film Festival im Interview

Karl Spoerri Zurich Film Festival (zvg)Wenn am Donnerstag die 5. Ausgabe des Zurich Film Festivals eröffnet wird, bin ich bereits auf dem Weg in meine Ferien. Das hat eine bedauerliche Seite, denn das diesjährige Angebot der umtriebigen Zürcher ist deutlich vielversprechender als früher. Im Interview äusserst sich Festivalleiter Karl Spoerri zur Erweiterung des Publikumsfestivals zum Branchentreff, zum Standortvorteil von Zürich, zum Budget und dem Eigenmittelbedarf, zur Zweiteilung des Wettbwerbs in eine deutschsprachige und eine internationale Sektion und zur Schweizer Untertitelkultur. Aber auch dazu, was ein Star wie Morgan Freeman effektiv kostet, beziehungsweise, wie die Sachleistungen von Hotel- und Airline-Sponsoren dabei helfen, solche Medienmagnete nach Zürich zu holen. Und er bedauert, dass die medienwirksam inszenierte Star-Ballung des Festivals den medialen Blick auf die Inhalte des Programms verstelle.

Interview (18′) Download (MP3, 8MB) Hören:

Fantoche 2009 – Ein Erfolg

Flowerpots von Rafael Sommerhalder
'Flowerpots' von Rafael Sommerhalder

Ich bin im Vorstand des Schweizer Animationsfilmfestivals Fantoche und habe darum auf Berichterstattung verzichtet. Gestern Abend ging das diesjährige Animationsfest erfolgreich zu Ende, und das Leitungsteam Duscha Kistler und Andrea Freund konnte stolz auf einen neuen Besucherrekord mit 31’000 Eintritten verweisen. Detaillierte Filmbesprechungen und mehr zu Fantoche 2009 gibt es im Blog von Thomas Hunziker, der übrigens auch den Fantoche-Förderverein präsidiert und damit sozusagen der offizielle oberste Fan von Fantoche ist. Nach dem Sprung folgen die Preisträger und der Link zum Schlusscomunique.

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Antichrist – noch einmal

Antchrist Blockhaus Ascot Elite Schweiz

Es herrschen spannende Zeiten im Kino. Noch läuft die Diskussion um Quentin Tarantinos Nazi-Rache-Phantasie Inglourious Basterds, und schon schwappt die nächste Empörungswelle durch die Feuilletons. In die Diskussion um Lars von Triers Film Antichrist haben sich mittlerweile auch Autoren wie Daniel Kehlmann oder Elfriede Jelinek (in Cargo, und da gibts auch ein audiofile mit einem Gespräch mit Lars von Trier) eingeschaltet. Unerträgliche Frauenfeindlichkeit werfen dem Dänen die einen vor, die anderen loben die Radikalität seiner grausamen Natur-Vision. Einig sind sich aber alle darüber, dass Antichrist ein verstörender Film sei. Ich halte ihn gerade wegen seiner Sprengkraft für das erste filmische Kunstwerk seit langem.

Antichrist Gainsbourg Ascot Elite Schweiz

Ziemlich spät im Film, im Wald, im Haus, in der Nacht, am Tag, hören wir ein Kind weinen. Seine Mutter (Charlotte Gainsbourg) hört es auch, dabei weiss sie, das Kind, das wir weinen hören, ist zu dem Zeitpunkt bereits tot. Aus dem Fenster gestürzt, während seine Eltern Sex hatten. Das Paar wird völlig auf sich selbst zurück geworfen. Die Frau will sich dem Schmerz überlassen, ihr Mann, ein professioneller Therapeut (Willem Dafoe), kämpft dagegen an. Die Natur sei kein Freund erklärt er ihr, die Natur wolle sie so heftig verletzen, wie sie nur könne. „Indem sie mich ängstigt?“ fragt die Frau. „Indem sie dich umbringt“, sagt er.

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Gespräch mit den Fantoche-Frauen

Fantoche 20009 Poster

Heute beginnt in Baden das Animationsfilmfestival Fantoche. Es ist die siebte Ausgabe und die letzte, welche über zwei Jahre hinweg vorbereitet wurde. Wie alles in der Filmwelt hat sich auch der Animationszyklus beschleunigt, und Fantoche trägt dem Rechnung, indem das Festival ab sofort jährlich stattfindet. Kollegin Brigitte Häring hat die beiden Leiterinnen Duscha Kistler und Andrea Freund getroffen und mit ihnen über das Programm, die Vorbereitungen und ihre persönlichen Lieblinge im Angebot gesprochen.

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Antoine Monot jr. steigt beim Zurich Film Festival aus

monot junior scr

Weniger als einen Monat vor seiner nächsten Ausgabe gibt einer der Mitgründer des Zürich Film Festivals seinen Ausstieg bekannt. Mit einer Begründung: Unterschiedliche künstlerische Auffassungen hätten den Ausschlag gegeben für die Beendigung der Zusammenarbeit von Antoine Monot, Jr. und dem Zurich Film Festival. Da gibt es dann immerhin für einmal was zu fragen für die Journalisten an der Programm-PK am 10. September in Zürich.

Locarno 09: Bilanz der Ära Maire im Kulturstammtisch

Marco Solari verabschiedet Frédéric Maire (c) Fotofestival tipress Samuel Golay
Marco Solari verabschiedet Frédéric Maire © Fotofestival/tipress/S.Golay

Vier Jahre lang hat Frédéric Maire das Festival von Locarno als künstlerischer Direktor verantwortet – nachdem er ihm zuvor über zwanzig Jahre in verschiedenen Funktionen verbunden war. Jetzt übernimmt er die Leitung der Cinémathèque Suisse in Lausanne. Wie hat Maire das Festival geprägt, was für ein Erbe tritt sein Nachfolger Olivier Père jetzt an? Im DRS4-Kulturstammtisch hat Eric Facon die Fragen gestellt, an Marcy Goldberg und Michael Sennhauser.

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Locarno 09: Die Preise

Goldener Leopard für Xiaolu Guo für 'She A Chinese' © Fotofestival Pedrazzini
Goldener Leopard für Xiaolu Guo für 'She A Chinese' © Fotofestival Pedrazzini

Mit She, A Chinese von Xiaolu Guo hat die internationale Jury den Goldenen Leoparden an einen Film vergeben, der erst gegen Ende des Wettbewerbs gezeigt worden ist. Die chinesischstämmige Xiaolu Guo lebt in London, ihr Film spielt in China und in England. Und er ist in der Tat beeindruckend auf ganz verschiedenen Ebenen. Zunächst erzählt er von einer Chinesin, die eher perspektivenlos auf dem Land aufwächst, nach einer Vergewaltigung in die Stadt flüchtet, sich dort ausgerechnet mit einem Auftragsschläger zusammentut, und nach dessen gewaltsamem Tod aus einem Impuls heraus mit dem unter der Matratze gefundenen Geld nach London fliegt. Dort beginnt sie dann ein Immigrantenleben, das uns allenfalls aus der Aussenperspektive bekannt vorkommt, das uns der Film aber überaus packend und zurückhaltend zugleich aus einer neuen, nicht unbedingt subjektiven Sicht vermittelt.

Der Spezialpreis der Jury und der Preis für die beste Regie gingen an meinen persönlichen Favoriten Buben.Baraban des Russen Alexei Mizgirev.

Den Preis als Beste Darstellerin erhielt die Holländerin Lotte Verbeek für ihre Rolle gegenüber Stephen Rea in Nothing Personal von Urszula Antoniak. Und den Leoparden für den besten männlichen Darsteller schliesslich vergab die Jury an Antonis Kafetzopoulos, den Hauptdarsteller in der satirischen Komödie Akadimia Platonos.

Die übrigen Preise folgen detailliert nach dem Sprung.

Darsteller-Leoparden für Lotte Verbeek und Antonis Kafetzopoulos © Fotofestival Daulte
Leoparden für Lotte Verbeek und Antonis Kafetzopoulos © Fotofestival Daulte

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