SFT12: COURAGE von Greg Zglinski

Courage

Mit Tout un hiver sans feu von 2004 wurde Zglinski zum Schweizer Filmpreisträger. Und mit seinem jüngsten Spielfilm, einer polnischen Produktion, zeigt er erneut ein Können und eine Sorgfalt, die begeistern. Es ist eine Geschichte brüderlicher Rivalität, die sich fast spielerisch anlässt, mit einer rasanten und riskanten Autofahrt, einem Rennen mit einem Zug, das der ältere Bruder riskiert und der jüngere erleidet, eine Vorwegnahme der zentralen Tragödie.Die GEschichte ist eben so komplex wie einfach, gut eingebettet in ein geschäftliches Milieu, das für sich schon Interesse weckt. Betreiben die beiden Brüder doch einen lokalen Internetservice – allerdings könnte das genauso gut eine Grossbäckerei sein, oder eine Wäscherei. Entscheidend ist,

dass Zglisnki eine ungeheure Sorgfalt verwendet auf die Figurenzeichnung. Und dass seine Schauspieler eine unaufgeregte Selbstverständlichkeit an den Tag legen, die fasziniert.

Wirklich packend sind dann aber die Details und ihre Verschränkung. Die Rivalität zwischen den BRüdern wird erst graduell spürbar, und was dann passiert, ist dermassen zerstörerisch, dass es eine wahrhaft biblische Wucht bekommt, einen Hauch von Kain und Abel, der, ohne Pathos, in einen Zustand führt, wo jeder Bick und jede Geste monumentale BEdeutung bekommt. Ein Szene hat es mir dabei besonders angetan, zumal ich der Meinung war, schon jede symbolträchtige Spiegelspielerei im Kino gesehen zu haben, insbesondere jenen Trick, bei dem im zuschwingenden Flügel eines Spiegelschranks plötzlich ein Gesicht auftaucht. Zglinski hat eine Variante gefunden, die noch eindringlicher und schockierender funktioniert und dabei ohne Schock und Bewegung auskommt: Jurek schaut aus dem Korridor auf seine Frau im Badezimmer, die sich ihrerseits im Spiegel betrachtet. Und erst nach einer Weile wird er gewahr, dass sie ihrerseits ihn beobachtet – aus dem Spiegel heraus. Das entspricht in diesem Moment so sehr der Verwirrung und der Seelenqual der Figuren, dass es wehtut. Und zugleich in seiner einfachen Raffinesse ein Glücksgefühl aufkommen lässt. Das sind die Kinomomente, für die wir leben.

Zwei seiner Schweizer Filmprojekte seien in den letzten Jahren nicht zustandegekommen, hat Zglinski, der selber Schweizer ist, vor der Solothurner Aufführung erzählt. Da kann man nur hoffen, dass das nicht daran lag, dass jemand das stupende Talent des Mannes nicht erkannt hat. Eben so sehr, wie wir hoffen wollen, das nun das nächste Schweizer Projekt, das offenabr aufgegleist ist, zu einem guten Abschluss kommen wird. Courage ist einer jener Filme, die, ohne zu insistieren, ganz einfach beweisen, dass Kino Kunst sein kann, ohne einen Millimeter dramatisches Terrain preiszugeben. Die Grösse einer Tragödie bemisst sich nicht an der Zahl der Toten.

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