L’ESCALE von Kaveh Bakhtiari

© Filmcoopi
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Vor zwei Wochen gewann er den grossen Preis der Solothurner Filmtage für sein humanistisches Engagement. Jetzt ist er im Kino zu sehen, der Dokumentarfilm L’escale des Schweiz-Iraners Kaveh Bakhtiari. Streng subjektiv schildert er den zermürbenden Alltag einer Gruppe in Athen gestrandeter Flüchtlinge.

«L’escale» ist «die Zwischenlandung» oder «Zwischenstation». Aber im Falle der Menschen mit denen Kaveh Bakhtiari rund ein Jahr lang eine enge provisorische Kellerwohnung in Athen geteilt hat, ist diese Zwischenstation schon eher ein Limbo, eine Vorhölle, ein untotes Leben in existentieller Unsicherheit.

Bakhtiari, der in der Schweiz lebt und in Genf die Filmschule absolviert hat, hat in Athen seinen Cousin aus dem Iran besucht und ist auf diese Migranten-Wohngemeinschaft gestossen.

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Das war eine Gruppe von völlig unterschiedlichen Männern zwischen siebzehn und fünfzig, welche die Ausreise aus ihrer Heimat geschafft hatten, aber nun in Griechenland festsassen, halblegal oder illegal, und auf eine Chance warteten, weiter ins hoffnungsvollere Europa reisen zu können.

Die Geschichten und das Leben dieser Männer — eine Frau taucht auch einmal auf — sind erschütternd monoton, schwankend zwischen Verzweiflung, Heimweh und immer neuer Hoffnung. Und der Film entwickelt einen klaustrophobischen Sog, weil Bakhtiari die Kellerwohnung mit seiner Handkamera so gut wie nie verlassen hat.

Diese Entscheidung sei dem Inhalt geschuldet nicht einfach formal, sagt der Filmemacher. Diese Männer hätten gegen gegen Grenzen angekämpft und er wollte sich als Filmemacher ähnlich radikale Grenzen setzen wie jene, unter denen seine  Protagonisten zu leiden hatten.

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So sitzen wir nun auch als Zuschauer im Kino in diesem Keller, bei den Männern, welche kochen, sich die Langeweile oder das Heimweh vertreiben und immer neue verzweifelt Reispläne schmieden.

Er habe eine individuelle und einzigartige Begegnung zwischen dem Zuschauer und diesen Menschen schaffen wollen, sagt Kaveh Bakhtiari. Und darum habe er so gut wie alles weggelassen, was wie ein Aussenblick hätte wirken können: Die Stadt Athen als Setting, Griechenland und selbst jene Menschen, die nicht zur Notwohngemeinschaft gehörten. Er habe die Wohnung nur verlassen, wenn einer seiner Protagonisten mit gutem Grund sie verlassen hätten.

Nur diese radikale Subjektivität, dieses Mitleben habe für ihn diesen Dokumentarfilm rechtfertigen können, sagt Kaveh Bakhtiari, der Umstand, dass er selber einen definierten dramaturgischen Platz im Geschehen einnahm. Andernfalls hätte er besser einen Spielfilm gedreht, sagt der Filmemacher.

Die dokumentierte Subjektivität von «L’escale» ist eben so furchtbar wie fruchtbar. Das ist kein schöner Film. Aber näher an dieses Limbo-Leben, diesen Zustand zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, hat noch kaum je ein Film geführt.

Kaveh Bakhtiari © Filmcoopi
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