Duisburg 15: THE DAYS RUN AWAY LIKE WILD HORSES OVER THE HILLS von Marcin Malaszczak

The Days 3

Der Titel ist ein Bukowski-Zitat, der Film einmal mehr ein Solitär. Malaszczak, der hier in Duisburg vor zwei Jahren mit seinem weitgehend durchinszenierten Dokumentarfilm Sieniawka verblüfft hat, geht wieder an die Ränder des Bildes.

Er filmt vertraute und vertrauende Frauen, als ob er nicht dabei wäre. Seine klar dokumentarische Kamera wird von den Protagonistinnen ignoriert, als ob sie Schauspielerinnen wären in einem Spielfilm. Aber die Situationen, Frauen unter sich, haben die Unmittelbarkeit des Spontanen, eine gezielte Unkontrolliertheit.

Der Film beginnt mit einer nostalgischen Note, ein kleines Mädchen mit Lametta-Perücke in einem Garten, in Super-8-Ästhetik. Kindheit, Familienfilme werden evoziert. Aber dann sind wir mit drei Frauen auf einem Balkon, wohl in Berlin. Und sie unterhalten sich über die Qual des Körperbewusstseins als Teenager, über Sommersprossen, rote Haare, bleiche Haut. Dann tanzen sie selbstvergessen, ausgelassen im Zimmer, zu Janet Jacksons «Rythm Nation».

The Days 4

Spätestens hier wird der Filmemacher mit seiner Kamera zu einem aufdringlichen Geist, nicht für die Frauen. Die kennen ihn, trauen ihm, ignorieren ihn abmachungsgemäss. So sehr, dass er mit der Kamera zwischen die Tanzenden stehen kann, das Objektiv auf einen Haarschopf richten – eine Perspektive, die jede Illusion einer vierten Wand zerstört.

Die Gemachtheit der Bilder wird herausgestrichen durch die aufdringliche Selbstverbergung des Filmemachers.

The Days 2

Es gibt auch eine bemerkenswerte Sequenz, in der das Bild vom Schwarzweiss des erstens Teils langsam in Farbe übergeht. Es besteht im wesentlichen in einem Schminkvideo, das in schwarzweiss beginnt und sich langsam sättigt, ein Zitat und eine auf das derzeit neben Katzenvideos populärste Youtube-Format. Zumal kein Wort gesprochen wird und die Kamera den Spiegel imitiert.

In der Szene zuvor hat das Bild noch verschmitzt getäuscht. Eine der Frauen tritt unter die Dusche, zieht den Vorhang, eine klassische Kinogeste. Dann ist die Kamera aber doch mit dabei, zeigt ihre Beine und Füsse und dunkle Flüssigkeit, die mit dem Duschwasser die Beine hinunterrinnt. Nach dem nächsten Schnitt wird klar, dass es sich nicht um Blut handelt, sondern um Haartoner – ein Gag, der so nur schwarzweiss zu machen ist und einmal mehr die Aufmerksamkeit auf die Gemachtheit des Bildes lenkt.

The Days 1

The Days… wie der Titel des Films im Abspann selber verkürzt wird, erzeugt ein völlig neues Gefühl von Nähe und Intimität. Indem der Filmemacher sich via Kamera versteckt, macht er sich so bemerkbar, wie ein Kind, das die Hände vor die Augen hält und sich unsichtbar imaginiert.

Das «intime Setting» zeigt sich immer wieder als klare Inszenierung. Zugleich besteht kein Zweifel, dass gerade die Vertrautheit der Frauen mit dem Filmemacher die theatralische Komposition möglich macht.

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