Venedig 16: THE YOUNG POPE von Paolo Sorrentino

Jude Law. 'The Young Pope' © Gianni Fiorito
Jude Law. ‚The Young Pope‘ © Gianni Fiorito

Ein neuer Papst ist gewählt: 47 Jahre jung, Amerikaner, Raucher und sehr konservativ. Keine Angst: Sie haben kein Konklave verpasst – das ist eine fiktive Geschichte. Sie bildet den Plot einer neuen Fernsehserie des italienischen Regisseurs Paolo Sorrentino, die im Oktober startet. Am Filmfestival von Venedig wurden die beiden ersten Teile von The Young Pope präsentiert.

Es beginnt mit einem Traum – der frischgewählte, jugendliche, gutaussehende Papst spricht zu den Gläubigen auf dem Petersplatz. Er spricht von Toleranz, von Homoehe, von Freiheit. Und wacht schweissgebadet auf. Denn der neue Papst, Lenny Berlardo, der sich Pius XIII. nennt, ist zwar jung, aber streng, konservativ, unnahbar und undurchschaubar.

Kaum eine Premiere wurde am Filmfestival von Venedig so gespannt erwartet, wie The Young Pope von Paolo Sorrentino. Und dabei handelt es sich nicht um einen Kinofilm, sondern um die ersten, zusammengesetzten zwei Folgen einer TV-Miniserie, produziert von Sky, HBO und Canal+, die im Oktober mit 10 Staffeln in verschiedenen Ländern anlaufen soll. Aber wenn der aktuell bekannteste italienische Regisseur  – er hat  mit La grande Bellezza einen Oscar gewonnen und zuletzt Youth gedreht – eine Fernsehserie macht, die einen höchst eigenwilligen Blick hinter die Mauern des Vatikans verspricht, dann ist die Aufmerksamkeit von vornherein gross.

Und ausserdem ist hier, am Filmfestival von Venedig die Atmosphäre immer sehr gespannt, wenn die katholische Kirche oder der Vatikan Thema sind, schon mehr als einmal gab es laute Proteste aus kirchennahen Kreisen bei allzu kritischen Filmen.

'The Young Pope' von Paolo Sorrentino, mit Jude Law in der Titelrolle © Gianni Fiorito
‚The Young Pope‘ von Paolo Sorrentino, mit Jude Law in der Titelrolle © Gianni Fiorito

Die ersten beiden Folgen von The Young Pope versprechen amüsante, zynische und komplexe Einblicke in die Welt des Vatikans. Jude Law als autoritärer Jungpapst, der per Intrige einiger einflussreicher Kardinäle als Marionette eingesetzt wurde, krempelt die Machtstrukturen im Vatikan um und lässt die anderen wie Marionetten an den Fäden tanzen, die er zieht.

Dabei bleibt er undurchschaubar und unberechenbar. In den ersten paar Tagen seines Papsttums verweigert er sich den wartenden Gläubigen auf dem Petersplatz und verkündet, es solle nie ein Bild von ihm an die Öffentlichkeit gelangen. Als er schliesslich auftritt, bleibt er im Schatten, so dass er auf dem Balkon des Petersdoms nicht wie eine positive Lichtgestalt erscheint, sondern wie ein düsterer Spiritus, eine gesichtslose, aber fürchterliche Autorität, die der verschreckten Menge verkündet, Glaube habe wenig mit Freude und schon gar nichts mit Freiheit zu tun.

Lenny Belardo alias Pius XIII führt ein knallhartes, rigides und sehr wertekonservatives Regime im Vatikan ein.

Aber Meisterregisseur Sorrentino lässt natürlich schon in diesen ersten zwei Folgen erahnen, dass nichts so bleiben wird, wie es zu Beginn der Serie etabliert wird. Auch der Papst hat seine schwache Seite: und die ist auch der grösste zynische Witz, den sich Sorrentino schon zu Beginn erlaubt: Pius XIII. glaubt nicht an Gott.

Diane Keaton im Vatikan © Gianni Fiorito
Diane Keaton im Vatikan © Gianni Fiorito

Die Serie ist grossartig inszeniert und ausgestattet, in diesem typischen Sorrentino-Stil, wie man ihn aus seinen Filmen kennt. Und sie ist toll besetzt – neben Jude Law spielt Diane Keaton eine der Hauptrollen: Schwester Mary, ehemalige Ziehmutter und neue Beraterin des jungen Papstes. Auch das ein Geniestreich Paolo Sorrentinos: in einer Serie, die praktisch komplett im Vatikan spielt, drei wichtige weibliche Figuren einzuführen: neben Schwester Mary sind das noch die Marketingchefin und die Ehefrau des Kommandanten der Schweizergarde.

Es gibt viele Geschichten und Filme mit fiktiven Päpsten. The Young Pope aber macht etwas ganz Neues: statt der katholischen Kirche einen visionären, humanistischen Papst anzudichten, der der Menschheit Gutes will, zeigt diese TV-Serie die Geschichte eines widersprüchlichen Papstes, erzkonservativ mit revolutionärem Anspruch, mehr Politiker und Staatsoberhaupt als Oberster Hirte – zumindest in diesen ersten zwei Folgen, die grosse Lust auf mehr machen.

Paolo Sorrentino auf dem Set im Vatikan © Gianni Fiorito
Paolo Sorrentino auf dem Set im Vatikan © Gianni Fiorito