Berlinale 17: THE PARTY von Sally Potter (Wettbewerb)

Patricia Clarkson und Bruno Ganz in ‚The Party‘ © Adventure Pictures Limited 2017

Schon wieder, wie in so vielen Filmen dieser Berlinale, huscht ein Tier durch den Film: ein Fuchs schaut mal schnell durch die Terrassentür des Hauses von Janet (Kristin Scott Thomas), die Gesundheitsministerin von England geworden ist und dies mit ihrem Mann Bill (Timothy Spall) und ihren besten Freunden feiern will.

Der Fuchs lässt ahnen: diese Party wird nicht so harmonisch verlaufen. Aber das weiss man auch so schon, denn das allererste Bild ist Janet, die die Haustür öffnet und mit der Pistole auf jemanden zielt. Sally Potter, die 1992 mit Orlando (Tilda Swinton in der Hauptrolle) durch die Jahrhunderte gerauscht ist, und mit ihrem letzten Film Ginger & Rosa 2012 einen Farbenrausch gefeiert hat, erzählt The Party in schwarzweiss und in Echtzeit.

Timothy Spall, Cillian Murphy, Emily Mortimer, Patricia Clarkson

Kurze und kurzweilige 70 Minuten dauert diese Dinnerparty, die so was wie eine erweiterte Version von „Who’s Afraid of Virginia Wolf“ sein könnte. Aber es geht in dieser Dinnerparty nicht nur um Untreue, obwohl die eine grosse Rolle einnimmt.

Kristin Scott Thomas in ‚The Party‘

Sally Potter hat ein fulminantes, von Witz, Slapstick, Geist und Dramatik gefülltes Drehbuch geschrieben. Janet’s Freunde sind folgende: das Paar April (herrlich spitzzüngig: Patricia Clarkson) und ihr deutscher Freund, der esoterische Aromatherapeut Gottfried (ungewohnt wunderbar naiv und tolpatschig: Bruno Ganz). Dann die lesbische Gender Studies Professorin Martha (Jerry Jones) und ihre mit Drillingen schwangere, sehr viel jüngere Partnerin Jinny (Emily Mortimer) und schliesslich der Banker Tom (ein total überdrehter Cillian Murphy) der ohne seine Frau Marianne kommt – die wird für später erwartet.

Cherry Jones

Das ist der ganze Cast, die Handlung spielt sich in nur vier Räumen ab, Küche, Bad, Wohnzimmer, Patio. Es hat was von einem klassischen britischen Dinnertheater, was Sally Potter da geschrieben und gedreht hat, inklusive der grossen Abwesenden, die schliesslich eine der wichtigsten Figuren ist. Darüber liegt ein wunderbarer Soundtrack – den Gastgeber Bill und seine Gäste gleich selber auflegen, auf einem altmodischen Plattenspieler. Auch das sorgt für ultrakomische Momente, wenn einer auf dem Boden liegt, man wähnt ihn tot und ein anderer Musik auflegt, um ihn aufzuwecken – aber die Sterbearie „When I am laid in earth“ aus Henry Purcells Oper Dido und Aeneas erwischt.

Timothy Spall in ‚The Party‘ © Oxwich Media Limited

Und wenn draussen auf dem Patio gespielt wird hört man einmal eine Alarmsirene, dann wieder ein Martinshorn oder auch Helikopter, die das Haus überfliegen. Dramen, die sich irgendwo abspielen, ausserhalb dieser immer klaustrophobischer werdenden Wohnung, wo die versteckten Tragödien auch langsam auftauchen.

Eine Woche nur hat Sally Potter mit ihrem tollen Ensemble gedreht, und genau in dieser Woche wurde der Brexit angenommen. Das Drehbuch war schon geschrieben – aber die Anspannung der Darsteller (Potter hat erzählt, einige hätten geweint, seien verzweifelt gewesen) ist spürbar, treibt die Handlung voran – und die englische Politik schwebt sowieso über der Geschichte, denn schliesslich spielt der Film auf der Wahlparty einer frischgebackenen Ministerin.

The Party ist herrlicher Slapstick, ein Kammerdrama zwischen Abgründigkeit und Oberflächlichkeit, das Berliner Publikum hatte grossen Spass daran.

Sally Potter