Hong Sangsoo ist wahrscheinlich der Grösste unter den Kleinmeistern. 26 Filme hat er gemacht seit 1996 und sie sind nicht nur ziemlich unverkennbar, sondern in der Regel auch ziemlich perfekt.
Keiner holt mehr aus vordergründig banalen Alltagsdialogen heraus (bzw. keiner steckt so viel in sie hinein) und kaum jemand bringt rundere Figuren auf die Leinwand, ohne sie bei einer anderen Tätigkeit zu zeigen, als beim Reden miteinander.
Nach seinem Gangbyun in Schwarzweiss, der 2018 in Locarno zu sehen war, ist nun wieder mit sanften Farben unterwegs, mit Gam-hee (Min-hee Kim), welche nacheinander drei ihrer einstigen Freundinnen besucht.
Gam-hee geht auf die vierzig zu, die Freundinnen sind in ähnlichem Alter. Die erste ist geschieden und lebt mit einer Untermieterin am Rand von Seoul in einem Appartement mit hübschem Garten. Die Gespräche sind geprägt von Höflichkeit und Belanglosigkeiten. Zwischendurch erklärt Gam-hee, dass sie zum ersten Mal in ihrer Ehe ein paar Tage ohne ihren Mann unterwegs sei, der sei auf Geschäftsreise und grundsätzlich der Meinung, wer sich liebe, solle dauernd zusammen sein.
Das Gleiche wird sie auch den anderen beiden Frauen später erzählen, jener Freundin, die gerade einen anhänglichen jungen Dichter und einen attraktiven Architekten in Scheidung in ihrem Leben balanciert. Und der anderen, die ihr offenbar vor vielen Jahren den Freund ausgespannt und den nun ihrerseits ein wenig satt hat.
Der Titel könnte sich auf alle vier Frauen beziehen, vieles bleibt in der Schwebe. Aber der Film bringt einem die Frauen auf diskrete Art sehr nahe. Wie immer bei Ho Sangsoo hat man das Gefühl, puren, banalen Alltagsbegegnungen beizuwohnen, und wie immer entpuppt sich das als höchst kunstvoll gebaute Konstruktion von glaubhafter Realität.
Und so ganz nebenbei hat dieser Film einen der schönsten Filmmomente mit einer Katze überhaupt. Da streiten zwei der Frauen überaus höflich und zuvorkommend mit einem Nachbarn, der möchte, dass sie aufhören damit, die herumstreunenden „Räuberkatzen“, wie er sie nennt, zu füttern. Die Frauen beharren allerdings darauf, dass es unumgänglich sei, diese Katzen zu füttern und natürlich schade, dass sich die Frau des Nachbarn vor diesen Katzen fürchte.
Und die ganze Dauer des Gesprächs unter der Haustür sitzt links im Bildrand eine Katze am Boden, aufmerksam und ruhig. Als sich der Nachbar schliesslich verärgert umdreht und weggeht, und die beiden Frauen ins Haus zurück gehen, blickt die Katze direkt in die Kamera.
Szenenapplaus ist selten im Kino. Aber in diesem Moment ist er zwingend.
Ja, ein paar Männer kommen am Rande vor in diesem Film. Zwei sind kurz zu sehen, zwei andere werden beiläufig erwähnt. Aber keiner von ihnen ist zwingend nötig für irgendetwas, keiner kommt wirklich gut davon.
Domangchin Yeoja ist wahrscheinlich der am radikalsten weibliche Film im diesjährigen Berlinale Wettbewerb, gedreht und geschrieben von einem sechzig Jahre alten Mann.