FLAG DAY von Sean Penn

Dylan Penn © Pathé

Sean Penn ist schuld daran, dass in Cannes nach Jahrzehnten der Selbstverständlichkeit die vorgezogenen Pressevorführungen abgeschafft wurden. Weil die Weltpresse 2016 Penns The Last Face so gnadenlos verrissen hatte, dass die grosse Galavorstellung danach für alle Beteiligten zu einer schmerzlichen Angelegenheit wurde.

Das hat Festivalchef Thierry Frémaux in seinem Buch «Selection officielle» beschrieben; er fühlte sich persönlich verantwortlich für die Demütigung seines Freundes Sean Penn. Darum hat er danach dafür gesorgt, dass die offizielle Gala der grossen Wettbewerbsfilme nun in der Regel parallel zur Pressevorführung stattfindet. Auf dass die Miesmacher von der Kritik den Standing Ovations des Publikums nicht zuvorkommen können.

Katheryn Winnick, Dylan Penn © Pathé

Dieses Jahr wäre das wahrscheinlich nicht nötig gewesen. Sean Penns Flag Day, die Geschichte einer Tochter und ihres Hallodri-Vaters, nach dem Buch «Flim-Flam Man – The True Story of my Father’s Counterfeit Life» von Jennifer Vogel, ist zwar nicht frei von Pathos. Aber als Film durchaus auf dem Niveau von Penns anerkannten früheren Regiearbeiten wie Into the Wild oder Indian Runner.

Klar, dass Penn selber die Rolle des flamboyanten, immer wieder abstürzenden Vaters spielt, kann man ihm durchaus ankreiden. Aber er spielt ihn gut, diesen Flim-Flam Man.

Sean Penn, Dylan Penn © Pathé

Und dass er die Rolle der immer wieder aufs neue enttäuschten Tochter seiner tatsächlichen Tochter Dylan Penn (aus der Ehe mit Robin Wright) übergeben hat, ist zum Glück nicht nur Nepotismus, Type-Casting und – vielleicht – persönliche Schuldverarbeitung, sondern auch richtig. Denn auch Dylan Penn ist schauspielerisch überzeugend.

Man müsste diesen Film schon neben, sagen wir, Nomadland von Chloé Zhao stellen, um deutlich zu sehen, was mit weniger persönlichem Pathos und geschärfterem Blick für soziale und ökonomische Zusammenhänge machbar ist.

Aber vielleicht wäre gerade das völlig falsch. Denn die Perspektive der immer wieder enttäuschten Tochter ist tatsächlich der Treiber von Flag Day. Dieser John Vogel mit seinen verzweifelten Versuchen, zu beweisen, dass er für etwas gut sein kann, ist weniger ein Opfer der Gesellschaft, als allenfalls eines ihrer Symptome.

Sean Penn, Dylan Penn © Pathé

Eben so die Tochter, die schliesslich als Triebkraft für das Journalismus-Studium angibt: I want to matter.

Und ganz abgesehen davon: Der Film ist ausgezeichnet gemacht, geschnitten, gefilmt (von Julia Roberts Ehemann Danny Moder) und musikalisch unterfüttert, einmal mehr unter anderem von Eddie Vedder.

Sean Penn auf dem Set von ‚Flag Day‘ © Pathé

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