MÉ EL AÏN (Who Do I Belong To) von Meryam Joobeur (Berlinale 2024, Wettbewerb)

Malek Mechergui, Dea Liane © Tanit Films, Midi La Nuit, Instinct Bleu

Dass Kriegsrückkehrer ihre Dämonen mit nach Hause bringen, das ist eine alte Metapher. Die in Kanada lebende tunesisch-amerikanische Regisseurin Meryam Joobeur bringt sie in ihrem ersten Langspielfilm aber erst sehr spät ins Spiel.

Zu Beginn machen sich Aicha und ihr Mann auf ihrem kleinen Ziegenhof im Norden von Tunesien bereit für eine Hochzeit. Adam, der jüngste Sohn, freut sich darauf, die Pferde zu sehen. Seine älteren Brüder Mehdi und Amine erklären, sie kämen später nach, als die Mutter sie zu Eile mahnt.

Aber sie kommen nicht, sie sind weg, erklärt Adam später heulend seiner Mutter, die ihm erklärt, seine Brüder seien auf Arbeitssuche nach Italien gereist.

Für Aicha und ihren Mann ist jedoch klar: Die zwei sind dem Ruf des IS gefolgt, wie so viele junge Männer aus der Gegend.

Salha Nasraoui © Tanit Films, Midi La Nuit, Instinct Bleu

Adam fragt Bilal, den jungen Polizisten und Freund der Brüder, ob diese nun bei den Terroristen seien. Ziemlich sicher, meint dieser.

Für die Familie ist das eine Katastrophe, zumal der Vater die Mutter beschuldigt, die beiden verzogen zu haben. Während Adam überzeugt ist, dass es die Strenge des Vaters war, der sie vertrieben hat.

Und dann ist Mehdi plötzlich wieder da. Abgemagert, verstört, mit Vollbart und mit einer hochschwangeren, vollverschleierten Ehefrau, die kein Wort spricht.

Amin sei tot, sagt er bloss, ohne weitere Erklärung.

Meryam Joobeur inszeniert das alles sehr realistisch, bis auf ein paar Traumsequenzen. Der Schmerz der Eltern, die Schuldzuweisungen, die Angst auch, nach der Rückkehr von Mehdi, der nun eigentlich als Terrorist ins Gefängnis müsste.

Adam Bessa, Malek Mechergui © Tanit Films, Midi La Nuit, Instinct Bleu

Dann verschwinden immer mehr Männer in der Nachbarschaft über Nacht, ein Schaf wird im Stall getötet. Der Vater verdächtigt Mehdi, die Mutter erklärt zuerst, das müsse ein Wolf gewesen sein und dann, als ihr Mann eine blutige Eisenstange findet, sie selbst habe es getötet.

Eine Mutter, die ihren Sohn nicht aufgeben kann, ein Vater, der sich am liebsten von ihm lossagen würde und der kleine Bruder, der zwar alles versteht, aber nur wenig mehr begreift, als dass er sich vor der stummen Frau seines Bruders fürchtet:

Zu wem gehöre ich bringt den Realismus und die Parabel auf raffinierte Weise zusammen. Der Schrecken, der diese und unzählige andere Familien zerstört, hat Verursacher, aber kein fassbares Zentrum, der Terror des IS geht weit über den Tod einzelner hinaus, lebt parasitär auch vom kleinen familiären Terror.

Das ist ein starker Film.

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