SFT12: TERRA von Kevin Merz

'Terra' von Kevin Merz ©amka films

Erstaunlich viele Künstlerportraits sind zu finden im diesjährigen Programm der Filmtage. Aber das hat auch damit zu tun, dass in der Schweiz traditionellerweise viele Dokumentarfilme gedreht werden, und dass der Autoren-Film grundsätzlich eine selbstreferentielle Komponente hat. In anderen Worten: Jedes Künstlerportrait ist auch bis zu einem gewissen Grad ein Selbstportrait jener, die filmen. Das zeigt sich auch an Terra von Kevin Merz, der diesen Film seinem bei einem Unfall verstorbenen Luganeser Jugendfreund widmet. Weil der posthum Protraitierte nicht nur Künstler war, sondern auch Junkie, entwickelt sich diese Dynamik, die mich zuletzt in Duisburg bei Britta Wandaogos Nichts für die Ewigkeit erschüttert hat.

Als Zuschauer packt mich bei diesen Filmen immer das grosse Reissen, das Zerren zwischen der Wut über die Schwäche der Abhängigen und dem Verständnis für ihre Situation und ihren Hintergrund. „SFT12: TERRA von Kevin Merz“ weiterlesen

SFT12: NICHT DAS LEBEN von Christine Repond

‚Shooting Dolores‘ in ‚Nicht das Leben‘ ©allaryfilm

Da ist dieser Moment, in dem Florian den Bandkollegen eröffnet, dass er Vater wird. Es entsteht eine unbehagliche Stille, ein Gemisch aus Freude und Schock. Dabei hat der älteste der Jungs schon zwei Kinder, sein Sohn ist 17 und hat auch schon mit der Band als Gitarrist geprobt. Denn das ist der Ankerpunkt von Nicht das Leben: Die „Jungs“ sind keine mehr, sie sind zwischen dreissig und vierzig. Und wenn einer von ihnen zu Beginn des Film trotzig erklärt, die Musik sei sein Leben, seine Lehre und sein Job als Drucker seien bloss ein notwendiges Nebengeleis, dann wird er das selber gegen Ende relativieren.

Christine Repond hat den lange Zeit im Limbo der Verleihlosigkeit schwebenden Neonazi-Spielfilm Silberwald (2010) gemacht, ein Film mit grossen Qualitäten und ein paar Schwächen, die bisher verhindert haben, dass sich jemand traute, ihn ins Kino zu bringen. Nun sieht es allerdings so aus, als ob die Produktion ihn doch noch auf ein paar Schweizer Leinwände bringen wird in diesem Jahr. „SFT12: NICHT DAS LEBEN von Christine Repond“ weiterlesen

Rolf Lyssy im Gespräch

Rolf Lyssy (rechts) im Gespräch mit Kameramann Fritz Mäder im Jahr 2000 copy sennhauser
Rolf Lyssy (rechts) im Gespräch mit Kameramann Fritz Mäder im Jahr 2000 ©sennhauser

Auf die am Donnerstag beginnenden Solothurner Filmtage hin haben sich schon Dutzende angehender Filmmacher mit ihren Mini-Remakes von Rolf Lyssys Die Schweizermacher beworben. Rolf Lyssy selber ist in der Jury. Vor allem aber hat Rolf Lyssy seit dieser Woche auch wieder einen eigenen Film im Kino: Ursula – Leben in anderswo. Brigitte Häring hat Lyssy besucht und mit ihm über den Film gesprochen – hier ist das Gespräch zu hören. „Rolf Lyssy im Gespräch“ weiterlesen

Flying Home Trailer


Der Film von Tobias Wyss gehört zu unseren Unverpassbaren der Woche. Und eine offizielle Webseite gibt es auch dafür. Und Filmemacher Tobias Wyss im Oton gibts morgen im Filmpodcast.

Duisburg 11: DIE HERDE DES HERRN von Romuald Karmakar

Die Herde des Herrn

Karmakar ist unerbittlich. Da machen zwei Jungs Faxen in die Kamera, während er 2005 die Schaulustigen und Wander-Pilger filmt, welche Ratzingers Geburtsort Marktl stürmen, in den Tagen, in denen Deutschland Papst geworden ist. Und Karmakar fragt hinter der Kamera ganz sachlich, warum sie feixen. Und auf die Erklärung des einen, „um auch einmal am Fernsehen zu kommen“: Ob das denn wichtig sei? Wann haben wir den letzten Dokumentarfilm gesehen, der schon bei seiner Entstehung didaktisch wirksam wurde? „Duisburg 11: DIE HERDE DES HERRN von Romuald Karmakar“ weiterlesen

Duisburg 11: NICHTS FÜR DIE EWIGKEIT von Britta Wandaogo

Nicht für die Ewigkeit

Ein Film wie ein Rückfall. Oder stimmt das doch nicht? Es kommt selten vor, dass es mich so schüttelt im Kino, und noch seltener, dass ich an einer der Duisburger Diskussionen emotional Achterbahn fahre. Ist die Frau da oben auf dem Podium, die uns eben das Leben und das Sterben ihres heroinsüchtigen Bruders vorgeführt hat, bei Trost? Ist der Film Trost? Ich weiss nicht, was mich mehr fasziniert: Die ruhige, klare und direkte Art, wie Britta Wandaogo mit den Fragen zu ihrem Film umgeht, oder der Gedanke daran, was die Frau für eine Entwicklung hinter sich hat, wie sie es geschafft hat, nicht nur zu überleben, sondern dies gleichzeitig innerhalb und ausserhalb der kleinbürgerlichen Vorgaben ihrer Herkunft. Am Ende der Diskussion bin ich hingerissen, mehr als her. Und ich habe in meiner eigenen Arroganz wieder einmal einen Dämpfer erfahren: Man kann die Welt offensichtlich auch spüren, nicht nur klassifizieren. „Duisburg 11: NICHTS FÜR DIE EWIGKEIT von Britta Wandaogo“ weiterlesen

Duisburg 11: DER SCHATTEN DES PROPHETEN von Christian Kobald und Philippe Mayrhofer

Der Schatten des Propheten

Das Bild des Mannes mit dem Kopftuch und dem finsteren Blick ist im Senegal, vor allem in Dakar, allgegenwärtig. Es geht zurück auf die einzige erhaltene Fotografie des Religionsgründers der Muriden, Scheich Amadou Bamba Mbacké, von den Anhängern seiner Sufi-Bruderschaft auch Sériñ Touba genannt. Bevor ich diesen Film gesehen hatte, wusste ich nichts über ihn. Das einzige, was ich schon gelesen hatte: die Muriden stellen den grössten Anteil der Emigranten aus dem Senegal. Auch den beiden Filmemachern war nicht viel bekannt über ihn, aber beide waren fasziniert von der Logo-artigen Qualität des Bildes. Wie kommt ein Mann, der vor über hundert Jahren geboren wurde, zu dieser Omnipräsenz? Denn sein Konterfei ist in Dakar allgegenwärtig, auf Wänden, in Schaufenstern, auf Reklametafeln, auf Amuletten. „Duisburg 11: DER SCHATTEN DES PROPHETEN von Christian Kobald und Philippe Mayrhofer“ weiterlesen

Duisburg 11: WAY OF PASSION von Joerg Burger

way of passion

Die Passion ist allgegenwärtig in Duisburg, als wahre Passion, als Passionsspiel, und natürlich als Passionsweg im Film von Joerg Burger, der in Trapani in Sizilien rund dreissig Stunden draufgehalten hat, zusammen mit Johannes Hammel an der zweiten Kamera. Ab Karfreitag tragen da zunächst vor allem Männer, Mitglieder der alten Innungen, später auch einzelne Frauen, enorm schwere Altäre mit Passionsgruppen durch die Stadt, mit ernstem Blick, Schweissperlen auf der Stirn und zunehmend schmerzverzerrten Gesichtern. „Duisburg 11: WAY OF PASSION von Joerg Burger“ weiterlesen

Duisburg 11: DAY IS DONE von Thomas Imbach

'Day Is Done' ©pathé

Day is done kombiniert hypnotische, zum Teil überraschend dramatische dokumentarische Aufnahmen der Sicht aus Imbachs Zürcher Wohnung mit Aufzeichnungen seines Telefonbeantworters aus den Jahren 1988 bis 2003. Diese Ton-Aufnahmen dokumentieren unter anderem den Tod des Vaters des Filmemachers, die Trennung von der Mutter seines Kindes und die Geburt dieses Sohnes, das Ringen um eine funktionierende Vaterrolle, das Älterwerden des Sohnes und etliches mehr: Überaus intim, und — auf den ersten Ohrenschein hin — überaus privat. „Duisburg 11: DAY IS DONE von Thomas Imbach“ weiterlesen