Locarno 10: BELI BELI SVET von Oleg Novkovic

Beli Beli Svet

Und noch eine Variation auf das Rotkäppchenthema. Aber was für eine! In diesem serbischen Film bekommt die Geschichte des verlorenen Teenagers die Dimension einer griechischen Tragödie und das ganz wörtlich. Denn einerseits singen alle Hauptfiguren im Verlauf der Geschichte ein Lied, fast wie in einem Musical, andererseits endet der Film mit einem wahrhaft griechischen Chor aus über hundert Leuten, die am Rande eines grossen Steinbruchs ihr trauriges schicksal besingen. Dazwischen liegt ein Liebesdrama über vier Ecken und eine Inzestgeschichte.

 

Angelpunkt der Geschichte ist ein Mann, den die Frauen lieben, der aber von sich sagt, er liebe niemanden. Er führt eine Bar, fährt Motorrad und hält sich fit – im Gegensatz zu den anderen männlichen Figuren, die alle am zerfliessen sind. Seine einstige Geliebte ist im Gefängniss für den Mord an ihrem Ehemann, ihre junge Tochter bandelt mit dem Barbesitzer an, kaum hat der Film eingesetzt. Und wieder kämpfen Mutter und Tochter um den gleichen Mann – mit dem zusätzlichen Drama, dass weder der Mann noch das Mädchen sich darüber im klaren sind, dass sie seine Tochter ist.

Der Film schafft die Verbindung zwischen klassischem Drama und der Zeichnung eines Alltages, der vor allem von enttäuschten hoffnungen geprägt ist, mit einer erstaunlichen Leichtigkeit. Die Gesangsnummern sind dabei kaum in die Handlung eingebettet, aber immer Solo, das heisst, die Figuren singen ihre Lieder jeweils, wenn sie allein sind. Dadurch wird man nicht aus dem Realismus katapultiert, sondern eher in ein Traumreich entführt, in die Gefühlswelt jeweils einer Figur. Und das ist ziemlich spannend.

Kommentar verfassen