Duisburger Protokult

duisproscr

Morgen beginnt wieder mein Lieblingsfilmfestival, die Herbstsonate gegen das Verblöden, das Novemberlied der Vielfalt, die Duisburger Filmwoche. Es ist die 35. Ausgabe der Dokumentarfilmwoche, und zum Jubiläum haben sie das Kernstück ihrer Geschichte zugänglich gemacht, die legendären Diskussionsprotokolle. In Duisburg gibt es nämlich nicht nur ein Filmprogramm, sondern stets nach dem Film auch gleich die Plenardiskussion. Und die wird einerseits moderiert, andererseits protokolliert. Und weil es da nicht einfach um Stenogramme einer Gerichtsverhandlung geht, sondern stets um persönlich gefärbte Einschätzungen der öffentlichen Reaktion auf die Filme, und der Filmemacher auf die (relative) Öffentlichkeit, lesen sich diese Protokolle noch (oder erst recht) Jahre danach als Zeitgeistdokumente mit Borsten. Unter der sinnigen Webadresse protokult.de sind sie säuberlich erschlossen, alle Protokolle seit 1980, als pdf (weil in der Anfangszeit noch kein Laptop im Saal stand), aber indiziert. Die Fülle des Materials (alles in allem sind es bald 1000 Filme, die über die Jahre diskutiert wurden) erweist sich als Goldgrube, wenn man etwa die Duisburger Karriere eines bestimmten Filmemachers rekonstruieren möchte. Nehmen wir den Schweizer Thomas Imbach, dessen Day is done diese Woche in der Heimat anläuft, im Februar an der Berlinale auf ein schönes Echo gestossen ist, und diese Woche auch wieder in Duisburg diskutiert werden wird. Eine Suche nach seinem Namen auf Protokult fördert seine Nano-Babies zutage, Ghetto oder Well Done, und mit den Protokollen auch feine Verschiebungen in der Rezeptionsbereitschaft des jeweiligen (stets sehr konstanten) Publikums. Man kann aber auch ganz boulevardesk nach den wilderen Diskussionen suchen, die man so in der Erinnerung behalten hat, zum Beispiel unter dem Stichwort Romuald Karmakar, einem der spannendsten, aber auch streitbaren und polarisierenden Filmemacher:

Da gesteht dann als Vorwort zum Diskussionsprotokoll zu Land der Vernichtung von 2004 die Protokollantin Diana Ebster gleich mal:

Um ehrlich zu sein hatte ich damit gerechnet, dass Karmakar, ähnlich wie im letzten Jahr, das Podiumsgespräch aus Mangel an für ihn reizvollen Fragen verärgert abbrechen könnte. An Stelle des Protokolls der nicht gelaufenen Diskussion hätte man sich dann etwas Kunstvolles als Leerstellenfüller einfallen lassen müssen – Haikus, wie Torsten Alisch schon mal vorschlug.

Um dann aber über fünf Seiten hinweg eine zwar festgefahrene, aber dennoch im Rückblick fruchtbare, vielseitige und mitunter sehr witzige Diskussion abzubilden.

Auch das aktuelle Programm lässt wieder auf spannende Diskussionen hoffen. Und theoretisch könnte dieses Jahr tatsächlich der 1000. Film in Duisburg diskutiert werden. Hier der aktuelle Trailer zum Motto „Stoffe“:

35. Duisburger Filmwoche – STOFFE from duisburger filmwoche on Vimeo.

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