Berlinale 14: TO MIKRO PSARI (Kleiner Fisch) von Yannis Economides

Vangelis Mourikis © Falirohouse Productions
Vangelis Mourikis © Falirohouse Productions

In mehreren Filmen im diesjährigen Wettbewerb der Berlinale stehen gepeinigte Männer im Zentrum. Stille Wasser mit unterirdischen Strudeln, Männer, die innerlich ständig Kämpfe mit sich austragen, die – manchmal gewalt(tät)ig aus ihnen ausbrechen, manchmal auch friedlicher ausgetragen werden. Da ist zum Beispiel Nils im norwegischen Film Kraftidioten. Ein freundlicher, stiller Mann, dessen innere Trauer und Wut über den Verlust des Sohnes sich nicht als ein grosser Vulkanausbruch entlädt. Aber immerhin macht sie – die innere Wut- den Mann zum mehrfachen Mörder.

Ein Mörder ist Stratos aus dem griechischen Beitrag To Mikro Psari (Kleiner Fisch) von Yannis Economides bereits. Im Alltag arbeitet er in einer Backfabrik, eigentlich aber führt er Auftragsmorde aus.

Das so verdiente Geld bekommt ein gewisser Yannis, der damit den offenbar von allen (und vor allem auch von Stratos) geschätzten Gangsterboss Leonidas mittels eines Tunnels aus dem Hochsicherheitsgefängnis holen will. Gleichzeitig versucht ein konkurrierender Unterweltsboss Stratos abzuwerben.

Das alles erfährt man in diesem über zwei Stunden dauernden Film langsam und erst nach und nach. Die Perspektive bleibt komplett bei der Hauptfigur Stratos, einem hageren Typen mit sehr ausdrucksstarken Tränensäcken.

Vangelis Mourikis, Yannis Anastasakis © Falirohouse Productions
Vangelis Mourikis, Yannis Anastasakis © Falirohouse Productions

Und der sagt nur wenig, sitzt meistens mit etwas traurigen Augen da und hört zu, wie seine Gegenüber abwechselnd fluchen, schimpfen, bitten, auf ihn einreden. Diese Schimpfereien sind praktisch wiederkehrende Litaneien, die der ruhige Stratos stoisch über sich ergehen lässt.

Stratos verliert seine innere Ruhe erst etwa in der Mitte des Films, als er einerseits merkt, dass er schamlos ausgenutzt wurde, und dass andererseits seine Freunde und Nachbarn etwas Furchtbares mit ihrer minderjährigen Tochter vorhaben. Da beginnt es in ihm zu gären.

Der Ausbruch ist in diesem Film nicht laut, und man wird lange darauf vorbereitet. Aber (wir sind ja in einem griechischen Film) er hat das Ausmass eines griechischen Dramas. Wie überhaupt die ganze Geschichte ein solches ist – die antiken Herrscherfamilien sind ersetzt durch die Gangsterkartelle, und statt um Ehre geht es um Geld.

Ein sehr zeitgenössisches griechisches Drama sozusagen. Für den einsamen Helden aber geht es letzten Endes um Gerechtigkeit, Loyalität, um Schuld und Sühne. Ein eindrücklicher Film, der für einige vielleicht etwas gar langsam erzählt – mich hat aber genau diese Langsamkeit gepackt.

Regisseur Yannis Economides nimmt sich alle Zeit der Welt, um diesen Stratos einzuführen. Und diese Zeit braucht man, um den Mann und seine Beweggründe richtig zu verstehen.

Ausserdem spielt der Film immer irgendwo am Rand – in einer bürgerlichen Vorstadt, in fast leeren Bars und Imbissen, in den Bergen, auf irgendwelchen Industriegeländen. Die Grossstadt Athen ist immer nur in der Ferne sichtbar, so, dass man das Gefühl bekommt, das alles sei sehr existenziell und doch irgendwie immer etwas daneben. Ein starkes Bild für eine Gesellschaft, die immer am Rande des existenziellen Abgrunds steht und doch überleben muss.

Für mich ist To Mikro Psari bis jetzt einer der stärksten Filme im Wettbewerb und sicher ein Bärenanwärter.

Regisseur Yannis Economides © Falirohouse Productions
Regisseur Yannis Economides © Falirohouse Productions

[Yannis Economides war übrigens 2006 in Cannes mit I psyhi sto stoma (Soul Kicking), und 2011 mit Macherovgaltis (The Knifer) eingeladen am Basler Bildrausch Festival. Dort war er einer der Gäste in unserer Gesprächsrunde zum wütenden jungen griechischen Kino.]

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