Die fünf Elefanten sind die fünf grossen Romane von Dostojewski, die Frau ist Swetlana Geier, die gefeierte Übersetzerin, welche dieses Riesenwerk für die deutsche Sprache komplett neu erschlossen hat. Der Basler Filmer Vadim Jendreyko (Bashkim) hat die 85jährige in ihrem Haus in Freiburg besucht und ist schliesslich mit ihr zurück an die Orte ihrer Kindheit gereist, in die Ukraine, nach Kiew. Mit 15 pflegte sie in der Familiendatscha ihren sterbenden Vater, der aus Stalins Gefängnissen als Folteropfer entlassen worden war. Sie lernte Deutsch auf Veranlassung ihrer Mutter, was den beiden Frauen zu Gute kam nach dem Einmarsch der Nazi in Kiew, und ihnen schliesslich half, in Deutschland eine neue Existenz aufzubauen, nachdem Kiew von den Sowjets zurück erobert worden war. Denn „im Land der Mörder meines Mannes“ wollte Swetlanas Mutter nicht bleiben. Vadim Jendreykos Film, der gestern an den Visions du réel in Nyon seine Uraufführung hatte, ist vollständig um die charismatische alte Frau herum aufgebaut.
War Jendreykos Film Bashkim seinerzeit noch geprägt von Ambivalenz, nicht nur gegenüber der Hauptfigur, einem zu gewalttätigen Ausbrüchen neigenden jungen Kickboxer, so macht Die Frau mit den 5 Elefanten keinen Hehl daraus, dass der Filmemacher dem Charme, der Klugheit und der Schönheit der alten Übersetzerin völlig erlegen ist. Und das ist gut so, denn dem Publikum im Kino geht es genau so. Wenn Fragen auftauchen, welche nicht beantwortet werden, wie zum Beispiel jene nach der Scheidung Swetlana Geiers in den 60er Jahren, dann sind sie klar irrelevant. Andere, nach der Haltung und Gesinnung der deutschen Offiziere, welche Swetlana und ihrer Mutter schliesslich geholfen haben, werden mit einer schwebenden Offenheit beantwortet, die genau so präzise wirkt, wie die deutschen Satzkonstruktionen, mit denen sich Swetlana Geier den russischen Sätzen Dostojewskis annähert. Und was die Frau zum Vorgang des Übersetzens sagt, ist dermassen knapp und erhellend, dass der Film allein schon aus diesem Grund zum Lehrstück wird. Ein schönes Portrait einer schönen alten Frau und gleichzeitig eines ganzen Jahrhunderts. Und ein echter Anwärter auf den Preis des Festivals am Mittwoch.
Nachtrag am 29. April 2009: Für den Hauptpreis hat es nicht gereicht. Aber den Prix SRG SSR Idée suisse hat Vadim Jendreyko heute Abend in Nyon davon getragen.
In der Tat, der Film lebt ganz und gar von der Strahlkraft Geiers – auch mich hat sie vollkommen in ihren Bann gezogen. Dass er den Hauptpreis nicht gewonnen hat, leuchtet mir ein: der Film ist solides, aber eben nicht herausragendes Handwerk.
Der Film ist ja echt sehr gut! Hab schon 3 Mal gesehen…Bin einfach begeistert. Nun kann ihn nur weiter empfehlen.
Ein sehr schöner Film um eine wunderbare Frau mit Können, Wissen und Begeisterung für die Sprache ausgestattet! Und mit einem gesunden Selbstbewusstsein!Ich habe noch fast fünf Jahre Zeit mich diesem Ideal zu nähern …