Cannes 09: Los abrazos rotos

Los abrazos rotos Pedro Almodovar
Penélope Cruz und José Luis Gómez in Almodóvars 'Los abrazos rotos'

Dieses Festival verstellt einem Jahr für Jahr den Blick auf die Realität, oder sagen wir: den Alltag des Kinos. Hier sind dermassen viele spannende, erstklassige, aussergewöhnliche und hin und wieder auch wirklich grossartige Filme zu sehen, dass man regelmässig schon nach ein paar Tagen zum Mäkler wird. Pedro Almodovar, zum Beispiel, hat oft genug bewiesen, dass er ein Magier der Kinoleidenschaft ist. Und Los abrazos rotos ist ein wunderbarer Film. Bloss nicht Almodovars bester und damit wohl auch wieder nicht die goldene Palme, die der Spanier seit Jahren ersehnt (und mit früheren Filmen längst verdient hätte). Wenn Filmemacher Filme übers Filmemachen machen, sind sie meistens in der Krise (Fellini mit Otto e mezzo, bzw. Woody Allen mit seinem persönlichen Remake davon: Stardust Memories). Die Krise des Filmemachers diktiert das Drehbuch.

Almodóvar geht da sogar noch einen Schritt weiter und erzählt hübsch verschachtelt von einem unterdessen erblindeten Regisseur und Drehbuchautor, der sich nach dem tödlichen Ende seiner grossen Liebe in die Screenwriter-Hälfte seiner zwei Persönlichkeiten zurückzieht. Bis alle Fäden zusammenkommen, das Mysterium gelöst wird. Der Film, der damals, als das Unglück seinen Lauf nahm, entstanden war, heisst Chicas y maletas, Mädchen und Koffer, und ist nichts anderes, als Almodóvars Mujeres al borde de un ataque de nervios von 1988. Es ist eine schöne, runde, gut erzählte Geschichte, die Almodóvar hier auftischt, Penelope Cruz ist wie immer hinreissend, und Lluís Homar als alter ego des Regisseurs hat eine lebensdurstige, starke Präsenz. Aber im Kern fehlt dem Film die Leidenschaft, die Gefahr auch, die von den besten Almodóvar-Filmen immer ausgeht, es fehlt La ley del deseo, das Gesetz der Begierde, welches zwingend ist und Almdóvars Produktionsgesellschaft auch ihren Namen gegeben hat: El deseo. Los abrazos rotos, die abgebrochenen Umarmungen, erzählen von vergangener Leidenschaft, von erloschenen Sehnsüchten. Das ist und bleibt wunderbares Kino. Aber hier in Cannes wirkt der Film, wie wenn ein grosser virtuoser Pianist zur Sicherheit ab Blatt spielen würde. Da hat Lars von Trier seine Krise doch mit mehr Wagemut (oder schierem Trotz) in seinen Antichrist gegossen. Aber vielleicht tue ich Almodóvar auch Unrecht. Vielleicht ist er mittlerweile so abgeklärt und gefestigt, dass in seinen Filmen nichts mehr zu lauern braucht.

Los abrazos rotos Pedro Almodovar El Pais
Lluís Homar und Penélope Cruz in Almodóvars 'Los abrazos rotos'

3 Antworten auf „Cannes 09: Los abrazos rotos“

  1. hallo
    ich habe gestern die vorpremiere im kino am see in zürich gesehen.
    etwas enttäuschend fand ich den film als grosser almodovar fan.
    grosses rätsel: war der hauptdarsteller wirklich blind? falls ja: warum guckt er als es an der tür klingelt durch den türspion?

  2. Neues vom Altmeister
    Eine Erfahrung der anderen Art – auf einmal erscheint sämtliches sonstiges Kino belanglos.

    Almodovar zeigt, dass er die Kunst des Filmemachens perfektioniert hat und sich trotz der Vielzahl der Werke eine unglaubliche Frische der Ideen bewahrt hat.

    Die Besetzung ist hundertprozentig passend, der Rhythmus der Erzählung in Gegenwart und Vergangenheit leichtfüßig und doch kraftvoll und ideenreich. Mit den Möglichkeiten des Kinos spielt Almodovar wie ein Kind.

    Film- und Theaterinteressierte werden sich an zahlreichen Referenzen delektieren. Der Film im Film am Ende ist so verblüffend, dass man einen Moment lang den Faden verlieren kann. Das Sahnehäubchen ist die exzellente Musik, die sich perfekt in das Bild einfügt.

    Unbedingt ansehen !

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