Der «Hundezahn» ist der Eckzahn. Und wenn ein Eckzahn ausfällt, egal ob der rechte oder der linke, erst dann ist ein Kind erwachsen und kann das Haus und den Garten verlassen. Und erst, wenn der Eckzahn wieder nachgewachsen ist, ist das Kind alt genug, um Auto zu fahren. Und ohne Auto darf man den Garten nicht verlassen. Denn draussen lauern Monster, «Katzen» genannt, sie haben den ältesten Bruder zerfleischt.
Zombies sind kleine gelbe Blumen. Die drei fast erwachsenen Kinder dieses Ehepaars, zwei Mädchen und ein Junge, kennen keine andere Welt, als die innerhalb des Gartenzauns. Nur die junge Frau Christina, eine Eingangswächterin in der Fabrik des Vaters, wird hin und wieder von diesem nach Hause gebracht, im Auto, mit verbundenen Augen, um dem Jungen beim Ausleben seiner Sexualität zu helfen.
Es ist eine beklemmende Welt, welche der Grieche Yorgos Lanthimos in diesem Film zeichnet.
Der Film, der in Cannes in der offiziellen Reihe «Un certain regard» gezeigt wurde, ist mit minimalen Sets und sieben Schauspielern gedreht worden.
Die wie eine Versuchsanlage aufgebaute Situation erinnert an Michael Haneke, die Situation der drei jungen Leute an jene der Bewohner von M. Night Shyamalans The Village, denen die Dorfvorsteher weis machen, jenseits der grossen Wiese lebten die «Anderen», denen man nie in die Fänge geraten dürfe.
Dabei lässt einen dieser Film lange Zeit im Ungewissen darüber, warum sich diese zwei jungen Frauen und der junge Mann so eigenartig benehmen. Sie spielen kindliche Spiele und reden so emotionslos und eigenartig, als ob sie Sätze eines Sprachkurses üben würden. Nur gelegentliches Aufblitzen verzweifelter Aggressionen durchbrechen die Monotonie des Alltags.
Und es dauert auch nicht lange, bis man sich an all jene Diktaturen erinnert fühlt, in denen Wissen von den Mächtigen verwaltet und manipuliert wird. Und natürlich entzieht sich immer etwas der Kontrolle der Kontrolleure, Informationsfetzen von aussen bringen Gedankengänge ins Rollen, und wenn die jungen Leute falsche Schlüsse ziehen, muss das System nachgebessert werden, bis seine einstige Logik löchrig wird.
Kynodontas ist ein erschreckend effizienter und böser Film. Dass es mit so wenig Aufwand gelingt, eine eigentlich theatralische Anlage (der Regisseur kommt von der Bühne) filmisch umzusetzen, mit eindrücklichen Bildern, ist ein weiterer Beweis dafür, dass Filmemachen mit kleinem Budget zu grossen Resultaten führen kann.
Nachtrag 23. Mai: Der Film hat den «Prix Un Certain Regard» 2009 gewonnen.
Ein grauenvoller Film, der mich an Zustände erinnert, die sich manchmal hinter „gut brügerlichen“ Familien verstecken könnten! Aber auch auf das Politisch-diktatorische ist dieser Film durchaus übertragbar! Ein Alptraum!
Der Film kommt mir irgendwie verlogen vor, lebt er doch davon genau das zu zeigen, was nicht gezeigt werden darf und tut so, als wäre es nicht da. Dies gelingt ohne sich schmutzig zu machen, weil die Umzuchtmaßnahmen angeblich aus den Kindern nicht nur konditionierte Wesen, sondern nahezu gefühlslose Roboter gemacht haben. Das ist zum einen mehr als unwahrscheinlich, der Film widerspricht sich damit aber auch selbst, denn eben die Gefühle der Kinder sind es ja, die das Gerüst (fast) zum Einstürzen bringen (und auch Druckmittel bilden um zu konditionieren). So aber darf die Welt beherzt schockiert reagieren, fälschlicherweise aber ob des Unrechts, welches den Kindern geschieht, anstatt viel wahrer wegen der unschuldigen Darstellung von Inzest und Ähnlichem. Tatsächlich aber ist das Dargestellte unglaubwürdig und Porno, die Darstellung hingegen ist „pervers“ und das ist der Reiz von Dogtooth. Nur redet keiner hierüber, denn das würde bedeuten über Porno und seine Spielarten zu reden. Da bleibt man lieber bei Kritik an Bürgertum, Familie und diktatorischen Verhältnissen, das ist einfacher, sauberer und intellektueller. Und der Film lädt freilich zu dieser Lesart ein, wie die Bilder von Muybridge, die selbstverständlich auch nur deshalb nackte Frauen zeigen, um die Bewegung des Körpers besser studieren zu können. Einem ähnlichen Prinzip folgen viele Sendungen auf arte. In all diesen Fällen liegt die Perversion im Verhältnis zwischen der Darstellungsweise und den Zuschauern. Dabei soll Perversion nicht negativ konnotiert werden. Die Unaufrichtigkeit der Zuschauer und Filmemacher schon eher.
Lars von Trier hat stets das Pornographische unverholen mit seinen Filmen verknüpft. Das Resultat: Er wird beschimpft und verschmäht. Das war zuviel für unsere aufgeklärte Gesellschaft.
Ohne Ficken, Fummeln und Muschilecken wäre der monotone Dogtooth, der es noch nicht einmal zu einem Ende bringt, doch jeglichen Reizes befreit.