Cannes 19: MATTHIAS & MAXIME von Xavier Dolan

Gabriel d’Almeida Freitas (Matt) und Xavier Dolan (Max) © Seville International

Mit Dreissig kommt das einstige Kinowunderkind Dolan auf die Themen und den Stil zurück, mit denen er sich – nicht zuletzt via Filmfestival Cannes – seinen Namen geschaffen hat.

Matthias, genannt Matt, und Maxime, genannt Max, sind beste Freunde seit ihrer Kindheit. Matthias versucht mittlerweile Fuss zu fassen in der Geschäftswelt, während Max sich als Barmann durchschlägt und sich in erster Linie um seine entmündigte Ex-Alkoholiker-Mutter kümmert.

Max will weg von all dem, er hat beschlossen, nach Australien auszuwandern. Und darum treffen sich Matthias und Maxime mit ihren Freunden noch einmal einem Ferienhaus am See.

Die kleine Schwester von Freund Rivette ist auch da. Sie will einen Experimentalfilm drehen und ringt Matt und Max die Zusage ab, eine kurze Sequenz zu spielen. Was die beiden nicht wissen, und was vor allem Matt peinlich berührt: Die zwei jungen Männer sollen sich dafür auf einem Sofa küssen.

Xavier Dolan spielt den Max, Matthias wird von Gabriel d’Almeida Freitas verkörpert, mit tragikomischer Verbohrtheit in seiner Selbstverleugnung. Denn als Zuschauer weiss man nach knapp zehn Minuten bildgewaltiger, kinetischer Dolan-Kunstfertigkeit und ein paar Minuten seiner unnachahmlich perfekt gescripteten Gruppen-Party-Dialog-Orgien, dass die beiden Kindheitsfreunde sich stärker lieben, als es Matt vor sich selber auch nur ansatzweise zugeben kann.

Nicht nur Dolans Einsatz als Schauspieler verortet den Film als weitere autobiographische Vignette. Dutzende von offensichtlichen und weniger offensichtlichen Verweisen verknüpfen ihn mit Dolans früheren Werken. Und mit anderen Filmen, unter anderem Good Will Hunting auf den sich die Freunde der beiden mehr als einmal frotzelnd beziehen.

Max & Matt et les amis © Seville International

Matthias & Maxime ist ein echter Dolan. Die Leinwand brodelt und leuchtet, ob die Kamera einer Mittellinie auf einer kanadischen Waldstrasse entlangrast, oder ob sie plötzlich auffliegt und die buntest möglichen Herbstbilder präsentiert, stets ist die kinetische Energie hochgedreht.

Eben so die sprudelnden Dialoge in Gruppen. Und wo das nicht genügt, setzt Dolan auf Zeitrafferaufnahmen, die alles noch einmal beschleunigen.

Nicht nur darum ist der Film, bei aller Kunstfertigkeit, manchmal auch ziemlich anstrengend. Sondern auch darum, weil man tatsächlich nach wenigen Minuten erkennt, wo das Problem der beiden jungen Männer liegt. Die restlichen 110 Minuten der zwei Stunden sieht man ihnen dann vor allem dabei zu, wie sie sich (bzw. vor allem Matthias dem Max) ausweichen und arunter leiden.

Xavier Dolan ist in Form mit diesem Film, das Drama ist schön und energiereich erzählt, mit viel Witz und Tempo und Kunstwillen und Stil. Aber der Film ist eben doch eher eine Rückkehr zum Bewährten, als ein künstlerischer Aufbruch. Das ist verständlich, nachdem der junge kanadische Kritikerliebling mit seinem letzten Grossprojekt The Death and Life of John F. Donovan für einmal so gut wie nirgendwo punkten konnte.

 

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