Toni redet kaum, er lebt ab den 1920er Jahren wie ein Einsiedler im Wald bei Gualteri. Wenn er unter Menschen ist, tendiert er zu Panikattacken und Jähzorn. Bis ihn ein im Dorf lebender Maler wegen der Kälte in sein Atelier holt und überrascht feststellt, dass Toni ein unverkennbares zeichnerisches und gestalterisches Talent hat.
Dieser Marino Mazzacurati, bestens vernetzt in der römischen Kunstszene, lanciert Toni. Über erste Zeitungsartikel und Reportagen zu diesem naiven, geistig oft verstört wirkenden Künstler kommt es schliesslich zu einem regelrechten Hype und Tonis Bilder verkaufen sich bestens.
Antonio Ligabue war einer der italienischen Vertreter der «Art brut», ein nicht-akademischer Künstler, von seiner Biographie her aber näher bei Adolf Wölfli als bei Henri Rousseau.
Diritti lässt den Film denn auch folgerichtig in der Schweiz beginnen, wo Toni in Zürich zur Welt gekommen ist, 1899, als Sohn eines italienischen Hausmädchens. Nach ihrem Tod kommt er zuerst zu Pflegeeltern, später ins Waisenhaus und in die psychiatrische Anstalt in Pfäfers.
Der Film nimmt sich Zeit und skizziert in sorgfältigen, schweizerdeutschen Vignetten Momente aus der Kindheit und der Jugend des Mannes, seine Verlorenheit, seinen Jähzorn, seine Ausbrüche und seine Panik. Als er schliesslich ausgewiesen und in den Heimatort seines ihm unbekannten Vaters in Italien deportiert wird, landet er dort so gut wie sprachlos. Ausser ein paar Sätzen Schweizerdeutsch beherrscht er kaum eine Sprache, schon gar nicht Italienisch.
Kunst ist Kommunikation. Auch wenn zwischen Sender und Empfänger manchmal nur eine Einwegverbindung besteht, und es überraschend lange dauern kann, bis eine Flaschenpost überhaupt irgendwo ankommt.
Tonis Wunsch, zu verschwinden, nicht bemerkt zu werden, den der Filmtitel suggeriert, steht in hartem Kontrast zu der Kunst, die er produziert und für die er tatsächlich wahrgenommen werden will.
Giorgio Diritti spielt mit dieser Spannung. Die Szenen in Italien sind filmisch breit angelegt, erinnern an Fellini, aber auch an die Taviani-Brüder. Dabei bleibt der Film sehr nahe an seiner Hauptfigur. Seine Angst, seine Freude, seine Verlorenheit bestimmen jede Einstellung.
Wenn Ligabue, erschütternd und packend verkörpert von Elio Germano, eines seiner Tierbilder malt, verwandelt er sich zuerst körperlich in sein Sujet, er flattert als Kampfhahn vor der Leinwand, er reisst den Mund auf mit seinen schiefen Zähnen und faucht wie der Tiger, den er aus Lehm modelliert.
Der zweistündige Film schafft es vor allem, die Halbintegration von Toni in die dörfliche Gemeinschaft von Gualteri zu zeigen. Neben den Kindern und den Menschen, die ihn verspotten und quälen, sind auch jene, die Mitleid zeigen, und jene, die seine Kunst aufrichtig bewundern. Insbesondere die Schar der Kinder, die von ihm Lehmpuppen anfertigen lässt, ist ein dankbares und genuines Publikum.
Bei anderen wird auch deutlich, dass sie gerne an Ligabues spätem Ruhm und dem damit verbundenen Geldfluss partizipieren.
Es tut gut, wieder einmal einen italienischen Film zu sehen, der in der grossen filmischen Tradition des Landes verankert ist, den Atem, die Bilder und die Detailtreue des italienischen Kinos der sechziger Jahre in Erinnerung ruft.
Und gleichzeitig ist das eine Geschichte aus der Vergangenheit, jene von Antonio Ligabue, aber auch jene eines italienischen Kinos, das einst aus sich selber heraus eine Kraft entwickelte, die heute anderswo liegt. Alles an diesem Film lebt vom Rückblick.
Das ist eindrücklich und stark gemacht, öffnet aber wenig Perspektiven.