Der Kriegstraumaverarbeitung hat der in Frankreich lebende Kambodschaner Rithy Panh seine ganze Filmographie gewidmet. Zwölf Dokumentarfilme und sechs Spielfilme nähern sich immer wieder dem unbegreiflichen Horror, mit dem sich die Menschheit überzieht.
Sein 88 Minuten langer Irradiés («Verstrahlte») ist die hochverdichtete Kulmination seines Lebenswerkes. Der Film besteht zum grössten Teil aus dokumentarischem Archivmaterial und davon ein guter Teil bekannte Bilder, vom Gaskrieg vor Verdun über KZ-Filmmaterial, Vietnamkrieg, Kambodscha, Hiroshima, Nagasaki…
Die Bilder sind als Triptychon montiert, mit dreifach Splitscreen, so dass häufig das klassische Filmformat mit der gleichen Einstellung dreimal nebeneinander steht. Das steuert den Blick auf vollkommen hypnotische Weise, man wird von den Bildern regelrecht angesaugt.
Dazu sprechen André Wilms und Rebecca Marder einen fast durchgehenden Kommentar aus Texten, die Panh aus verschiedenen Quellen zusammengestellt hat. Mitunter sieht der Film daher nicht nur aus wie eine von Jean-Luc Godards Montagen, sondern er klingt auch so. Französisch, mit deutschen Untertiteln und englischen Übertiteln.
Da es dem Regisseur aber für einmal offensichtlich nicht um Aufklärung und Erklärung geht, sondern um die unfassbare Konstanz der menschlichen Selbstvernichtungskapazitäten, schiebt er immer wieder inszeniert Bilder dazwischen.
Ein Buto-Künstler, nackt, weiss bemalt, spielt eine Art Schmerzensgeist, er zieht sich die Haut aus wie ein Strahlenopfer, er blickt durch Fenster.
So unerträglich viele der Bilder sind, so stark ist der Sog, der von ihrer Reihung ausgeht. Das ist kein Film, der uns mit neuen Erkenntnissen erschreckt, sondern mit dem, was wir längst wissen, aber eben so lange zu Seite schieben.
Dabei erfolgt auch keine Steigerung, eher eine Art Gruppierung des Horrors. Lager, Menschenverführung, Genozid, Holocaust, Leichenberge, Experimente mit neuen Tötungsarten.
Passagen aus Alain Resnais’ Nuit et brouillard sind enthalten, gegen Ende auch eine Passage aus einem von Resnais‘ Spielfilmen und dann eine Art Epilog mit Bildern, welche zumindest ansatzweise suggerieren, dass nicht nur der Horror weitergeht.
Irradiés ist ein kurzes, starkes Stück, das man eigentlich nicht an einem Festival sehen sollte, nicht eingepackt zwischen anderen Filmen, sondern für sich und mit genügend Zeit danach, in der man mit niemandem reden muss, so lange man nicht bereit ist dazu.
Es wird Menschen geben, die sich das auf gar keinen Fall antun möchten. Andere wiederum werden sich mit Kitschvorwürfen zu wehren versuchen – ohne etwas auszurichten damit. Dieser Film ist nun in der Welt, und er tut uns nichts an, was wir uns nicht schon angetan hätten. Im Gegenteil: Er hilft.