ANOTHER END von Piero Messina (Berlinale 2024, Wettbewerb)

Gael García Bernal © Matteo Casilli / Indigo Film

Science Fiction ist meist ein gutes Vehikel für menschliche Konstellationen auf dem Prüfstand.

Was wäre, wenn …

… wir eine zweite Chance bekämen, uns von überraschend Verstorbenen zu verabschieden?

Das spielt der in Sizilien geborene Piero Messina in diesem Film durch, mit einer attraktiven Besetzung.

Gael García Bernal ist Sal, der um seine bei einem Autounfall getötete Frau trauert. Bérénice Bejo spielt seine Schwester Ebe, die zum Kader der futuristischen Firma «Another End» in London gehört.

Bérénice Bejo © Matteo Casilli / Indigo Film

So verspielt wie der Schriftzug der Company, der sich auf den Origami-Visitenkarten von NOT HERE zu ANOTHER END verlängert, ist auch deren Therapieangebot: Die extrahierten Erinnerungen, mithin die ganze Persönlichkeit der Verstorbenen wird für einzelne Tagessessions auf sogenannte «Hosts» übertragen.

Hosts sind Menschen, die ihre Körper – gegen Entgelt – dafür zur Verfügung stellen. Ihre eigene Persönlichkeit wird temporär durch die fremden Erinnerungen überlagert, sie verkörpern wörtlich die Verstorbenen, was den Angehörigen die Chance geben soll, sich richtig zu verabschieden. Sobald das Bewusstsein im Host realisiert, dass es eigentlich gestorben ist, stirbt es wirklich, im Schlaf. Der Hostkörper wacht mit seinem eigenen Bewusstsein wieder auf, ohne eine Spur der fremden Erinnerungen.

Natürlich gibt es etliche theoretische und praktische Probleme bei dem Verfahren. Einige spielt der Film durch, andere übergeht er, durchaus genretypisch.

Dass Sal, der sich zunächst weigert, die Therapie überhaupt zu versuchen, sich dann erneut in seine Zoe verliebt, die im Körper von Ava (Renate Reinsve) wieder vor ihm steht, ist natürlich problematisch. Spätestens, als er Ava, den Host, nach einer Session ausfindig macht.

Renate Reinsve © Matteo Casilli / Indigo Film

Der Film hat reihenweise rührende und berührende Szenen und vieles von dem, was er durchspielt, lohnt die nähere Beschäftigung.

Allerdings hat Another End das Problem vieler vor allem auf psychologischer Ebene ablaufender Science-Fiction-Filme: Er versteigt sich in eine abstruse Mechanik, die wissenschaftliche Logik bemüht und Magie produziert.

Mit anderen Worten: Diesem Film fehlt die simple Eleganz, welche etwa Tarkowskis Solaris so stark gemacht hat. Dort, beziehungsweise schon im Buch von Stanislaw Lem, ist es der Matmos, der geheimnisvolle See, der Reinkarnationen der Verstorbenen produziert, physische Präsenzen, aus den Erinnerungen der Angehörigen extrahiert.

Aber auch wenn ihm die Eleganz abgeht, hat Another End doch einiges zu bieten. Etliche Twists und Überraschungen, poetische Momente und solche grosser Tragik… vielleicht ein paar zu viel von allen. Vor allem, wenn er schliesslich Erinnerungen an andere Filme weckt, an Wim Wenders’ Paris, Texas etwa.

Oder an einen ganz anderen Film, den wir hier nicht nennen wollen, weil er sich schliesslich zum grossen Finale ganz von selber aufdrängt.

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