L’EMPIRE von Bruno Dumont (Berlinale 2024, Wettbewerb)

Annamaria Vartolomei © Tessalit Prod.

Bruno Dumont ist zurück in seinem Stammland, in den Wiesen und Dünen von Le p’tit Quinquin. Noch immer sind sie bevölkert von wortkargen Menschen mit ländlichen Berufen wie dem Fischer Jony (Brandon Vlieghe) und dessen alter Mutter, die ihren vermeintlichen Enkel hütet.

Oder von Zugezogenen wie der Stadtbratze Line (Lina Khoudri), die sich nackt in den Dünen sonnt, die Welt für eine Zumutung hält und Jony für einen Klotz.

Lyna Khoudri © Tessalit Prod.

Bis sie vor ihm niederkniet und er ihr mit überirdisch donnernder Stimme bestätigt, dass der Messias geboren sei und die endgültige Eroberung der Erde durch die Nullen nur noch eine Frage der Zeit.

Jony ist ein Ausserirdischer. Und Line fortan seine getreue (und eifersüchtige) Jüngerin.

Dumont hat für L’Empire die Welt des französischen Autorenfilms (wenn auch vor allem in seiner ureigenen verschroben fantastischen Ausprägung) mit den Superhelden-Grossproduktionen des US-amerikanischen Blockbuster-Worldbuilding fusioniert. Mit spektakulärem Resultat.

Die «Nullen» bekämpfen die «Einsen», die beiden ausserirdischen Spezies repräsentieren das Böse und das Gute in den Menschen. Und Fabrice Luchini ist der Herrscher der «Nullen».

Fabrice Luchini, Brandon Vlieghe © Tessalit Prod.

Entsprechend ist auch sein gewaltiges Raumschiff dem Schloss von Versailles samt Park nachempfunden, während die «Einsen», angeführt von «La Reine» (Camille Cottin) aus dem All mit einem nicht minder riesigen Raumschiff in der Form einer romanischen Kathedrale (mit Einschlüssen der Sainte-Chapelle, der Berliner Gedächtniskirche und Elementen von Nôtre Dame angeflogen kommen.

Beide Seiten haben Verbündete unter den Menschen.

Für das Gute und die «Einsen» kämpfen die schöne Jane (Anamaria Vartolomei) und der hitzköpfige Rudy, vorwiegend mit dem Laserschwert.

Brandon Vlieghe © Tessalit Prod.

Und natürlich sind auch die trotteligen Polizisten der Gendarmerie nationale wieder dabei, die im Kinofilm wie in der Fernsehserie um den kleinen Quinquin herumfuhrwerkten, ohne den Verbrechen je wirklich auf die Spur zu kommen.

Diesmal fallen keine Kühe mehr vom Himmel, dafür landen die Weltraumschiffe auf den gewaltigen Bunkern in der Dünenlandschaft.

Und Bruno Dumont leistet sich den einen oder anderen drastischen Witz. So lässt er mit Lina Khoudri (Ava von Léa Mysius) und Anamaria Vartolomei (L’événement von Audrey Diwan) zwei junge starke Darstellerinnen aus dem jüngeren, betont feministischen französischen Kino knapp oder auch gar nicht bekleidet als Comic-Heldinnen auftreten.

Die schöne Jane muss gar den männlichen Reizen ihres «Nullen»-Widersachers Jony erliegen, weil, wie er sagt, sie beide noch in menschlichen Körpern stecken und daher das beste daraus machen sollten…

Fabrice Luchini © Tessalit Prod.

Der Film ist stellenweise eine barocke Ausstattungsorgie. Insbesondere die Szenen mit Fabrice Luchini (in komischer Hochform wie immer) im Versailles-Raumschiff sind eine wahre Augen- und Ohrenfreude.

Dass gleichzeitig die Weltraumeffekte, überhaupt die Raumschiffe und ihre Landungsschiffe technisch absolut auf der Höhe aktueller Tricktechnik sind, sorgt für Wow-Effekte auf der Leinwand, die das Marvel-Universum längst nicht mehr so hinkriegt. Weil ihnm der Kontrast zu Dumonts Dünenwelt völlig abgeht.

Es ist die Kombination von absurder Kinofantasy mit geerdetem Lokalkolorit, welche diesen Film abheben lässt. Dass Dumonts simple Parabel vom Kampf von Gut gegen Böse in dieser Reduktion auch noch einleuchtet, ist eine weitere Rosine in diesem grandiosen Pudding.

Bruno Dumont © Tessalit Prod.

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