Cannes 12: ON THE ROAD von Walter Salles

Sam Riley, Kristen Stewart, Garrett Hedlund
Sam Riley, Kristen Stewart, Garrett Hedlund

Was für ein Jammer. Es ist traurig, wenn Vorfreude enttäuscht wird. Aber es ist, zumindest in Cannes, noch trauriger, wenn Vorurteile sich bestätigen. Und bei diesem Film ist die „gepflegte Langeweile“ welche mein geschätzter Kollege L befürchtet hat, nur gerade der Vorname. On the Road ist ein lebender Leichnam, ein Film, der bestenfalls die Farben des Buches durchschimmern lässt, wie unter Schutzatmosphäre abgepacktes Gemüse durch die Klarsichtfolie einer Vakuumverpackung.

‚On the Road‘ galt und gilt wie die meisten Kultbücher als unverfilmbar. Francis Ford Coppola hat sein Leben lang versucht, den Stoff zu knacken; sein Sohn Roman als Produzent ist nun zusammen mit dem einschlägig vorbestraften Walter Salles (Diarios die Motocicleta, 2004) definitiv gescheitert. „Cannes 12: ON THE ROAD von Walter Salles“ weiterlesen

Cannes 12: KILLING THEM SOFTLY von Andrew Dominik

Brad Pitt
Brad Pitt als Auftragskiller

Andrew Dominik hats mit den amerikanischen Mythen. Und mit Brad Pitt. Der war schon in The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford von 2007 Geschmackssache. Diesmal bezieht sich der Titel (auch) auf seine Figur. Der Film spielt in der Zeit des Wahlkampfes, Bush und Obama sind abwechselnd auf allen Bildschirmen zu sehen und zu hören. Aber im Vordergrund kämpfen ein paar Loser ums Überleben, überfallen ein illegales Spielcasino und ziehen damit den Zorn eines nicht näher definierten Syndikates auf sich.

Brad Pitt spielt den Killer, der schliesslich für die Aufräumarbeiten herbeigezogen wird. Er seinerseits zieht aus New York den nicht mehr ganz taufrischen Micky (James Gandolfini) bei, der sich aber als völlig abgehalftert erweist. „Cannes 12: KILLING THEM SOFTLY von Andrew Dominik“ weiterlesen

Cannes 12: VOUS N’AVEZ ENCORE RIEN VU von Alain Resnais

Ensemble

Neunzig Jahre alt ist der Mann. Und wirft einen Film auf die Leinwand, der von Schalk und Ernsthaftigkeit nur so sprüht. Vous n’avez encore rien vue, das sind drei parallele Inszenierungen von Jean Anouihls ‚Eurydice‘ in einem simplen, aber raffinierten Setting.

Resnais liebt die Bühneninszenierung auch in seinen Filmen. In diesen steigt er mit einer ironischen Vorwegnahme der vielen Mehrfachszenen ein, die dann folgen werden. Jeder einzelne der Schauspieler und Schauspielerinnen des Films bekommt einen Anruf vom Butler des Theaterregisseurs Antoine d’Anthac (Denis Podalydes). Der Freund sei tot, und seine letzte Bitte sei es gewesen, dass die alten Freunde sein Anwesen in einem kleinen Bergort aufsuchen. „Cannes 12: VOUS N’AVEZ ENCORE RIEN VU von Alain Resnais“ weiterlesen

Cannes 12: DE ROUILLE ET D’OS von Jacques Audiard

Matthias Schoenaerts und Marion Cotillard
Matthias Schoenaerts und Marion Cotillard

Rost und Knochen verspricht der Filmtitel, ‚Rust and Bone‘, das geht zurück auf eine Kurzgeschichtensammlung des Kanadiers Craig Davidson, von der aber schliesslich nur die allgemeine Inspiration geblieben sei, sagt Jacques Audiard. Vom Rost ist wenig zu sehen, aber die Knochen, die sind präsent im neuen Film des Regisseurs, der hier 2009 mit Un prophète den grossen Preis der Jury gewonnen hatte.

Die Knochen, das sind die des Belgiers Matthias Schoenaerts, der uns schon in Rundskop sehr körperlich nahe gegangen ist, und jene der Französin Marion Cotillard. Beziehungsweise, die ihrer Figuren Ali und Stéphanie. Er ist ein gescheiterter Boxer aus dem Norden Frankreichs, der mit seinem fünfjährigen Sohn in Antibes bei seiner Schwester untergekommen ist. Und sie leitet das Dressurteam bei einer Orca-Show im Badeort an der Côte d’azur. „Cannes 12: DE ROUILLE ET D’OS von Jacques Audiard“ weiterlesen

Cannes 12: Ich bin angekommen. Und er auch.

General Admiral Aladeen von Waadeeya vor Cannes ©upi(schweiz)
General Admiral Aladeen von Waadeeya vor Cannes ©upi(schweiz)

Die Zeiten des grünen Monokini sind vorbei, heuer steuert Sacha Baron Cohen die Croisette von Cannes im grossen Stil an. Bevor das Festival heute Abend eröffnet wird, hat er schon die Fassade des Carlton Hotel in Beschlag genommen, und die Paparazzi aufs Meer hinaus gelockt. Der Mann hat einen starken Sinn für simple Promostunts, wie er ja auch hier unter Beweis gestellt hat, gleich nach den Wahlen in Frankreich:

The Dictator (am Freitag im Filmpodcast) ist da, jetzt wird gefeiert. Bei uns in der Schweiz im Kino ja auch schon, ab heute.

Clint Eastwood, Chrysler und Obama

Superbowl in den USA. Die teuersten und bestbeachtetsten Werbespots des Jahres, und mitten drin Clint Eastwood, der sich vordergründig darüber auslässt, dass die USA noch lange nicht am Boden seien, dass es Halbzeit sei, und alle verängstigt. Aber dass man sich nicht unterkriegen lasse: „Die Welt wird das Brüllen unserer Motoren wieder hören.“ Was wie ein republikanischer Durchhaltespot aussieht und tönt, ist in tatsächlich ein bezahlter Spot der Autoindustrie, von Chrysler. Und verblüffenderweise eine Art Wahlkampfunterstüzung für Obama. Denn er war es, der gegen den Widerstand der Republikaner die serbelnde Industrie von Staates wegen zu retten versuchte. Kein Wunder, bekommt Karl Rove einen hissy fit, einen keifenden Wutanfall, wie Salon spottet. Beat Soltermann hat dazu heute einen Beitrag gemacht im Echo der Zeit.

Filmpodcast Nr. 245: 64. Festival del film Locarno

Tim Fehlbaum und Hannah Herzsprung ©Tom Hägler SRF
Tim Fehlbaum und Hannah Herzsprung ©Tom Hägler SRF

Kino im Kopf, diese Woche aus Locarno mit Eric Facon, Brigitte Häring, Tom Gutersohn und mir aus Locarno. Sie hören den Mittschnitt unseres Locarno-Magazins vom Donnerstag. Zu Gast in der Sendung war der Festivaldirektor Olivier Père, der dieses Jahr seine zweite Ausgabe präsentiert, dann der junge Basler Filmregisseur Tim Fehlbaum, und seine Darstellerin Hanna Herzsprung, deren Film Hell am Donnerstagabend auf der Piazza Grande gezeigt wurde. Dazu die Journalistin und Autorin Andrea Sailer. Von ihr erscheint in diesen Tagen ein Buch mit Interviews und Porträts mit den wichtigsten aktuellen Schweizer Filmemachern. Und natürlich berichtet unser Locarno-Team über den Eröffungsfilm Super 8 von JJ Abrams.

Saugen: Filmpodcast Nr. 245 (Rechtsklick für Download) Hören:


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Annie Girardot est morte

Ihre Karriere war länger und ihre Filme vielfältiger, als die Erinnerung zunächst preisgibt. Bei Visconti in Rocco e i suoi fratelli zeigte sie Raffinesse und Bein um Alain Delon herum. Bei Haneke war sie noch in diesem Jahrtausend in Caché und La pianiste dabei (trotz Alzheimer, wie sich später zeigen sollte), aber bei über 160 Filmen fällt es nicht nur schwer, sich an alle zu erinnern, sondern auch, sich für den schönsten zu entscheiden. Annie Girardot hat in alle Richtungen gespielt und sie hatte stets eine unvergessliche Leinwandpräsenz. Die Szene oben stammt bestimmt nicht aus ihrem besten Film – aber was sie da wortlos neben Belmondo an den Tag legt…  Heute ist sie in Paris gestorben.

Robert Duvall ist 80 Jahre alt

Der Mann ist eine Institution, ein Monument, ein Dinosaurier und ein Visionär. Robert Duvall spielte in Filmen mit, lange bevor ich ich sie zu sehen begann. Und als ich dann anfing ins Kino zu gehen, tauchte er immer wieder auf auf, meistens dann, wenn mich ein Film wirklich beeindruckte. Er ist unvergessen als Colonel Kilgore in Apocalypse Now (siehe Clip unten), aber auch als Corleone-Anwalt in The Godfather. 1971 war er THX 1138 in George Lucas‘ gleichnamigem Debut und wirkte darin verblüffender weise jünger, als zwei Jahre früher im John-Wayne-Vehikel True Grit, dessen Neuverfilmung durch die Coens uns eben ins Haus steht. In 133 Filmabspännen taucht er namentlich auf; Rollen dürften es mehr gewesen sein, TV-Serien gehörten zu seiner Karriere und als Regisseur hat er mehrfach Chuzpe und Geschick bewiesen, am grossartigsten mit der sehr ernsthaften Glaubens-Satire The Apostle von 1997. Duvall war stets seine eigene Qualitätsgarantie, ich mag ihn sogar in Schwurbelgekurbel wie Tony Scotts Days of Thunder oder seine Autoparodie der gleichen Rolle im Cage/Jolie-Remake von Gone in Sixty Seconds. „Robert Duvall ist 80 Jahre alt“ weiterlesen

Pete Postlethwaite gestorben

Er war das Rauhbein vom Dienst, der Hüne mit dem goldenen Herzen, der zähe Jäger in Jurassic Park oder der herzkranke Dirigent in Brassed Off, einem meiner britischen Lieblingsfilme. Der britische Schauspieler Pete Postlethwaite hatte eines der unverwechselbaren Gesichter für einprägsame Nebenrollen. Gestern ist er seinem seit 1990 diagnostizierten Krebs erlegen.

„Pete Postlethwaite gestorben“ weiterlesen