Locarno 11: Angekündigte Opposition in der Filmpolitik

RTS kriegt den kleinen Saal, die IG hat den Blues ©sennhauser
RTS kriegt den kleinen Saal, die IG hat den Blues ©sennhauser

Am letzten Freitag hat Bundesrat Burkhalter auf dem Monte Verità erklärt, der Umbau der Filmförderung sei im Einvernehmen mit fast allen Branchenmitgliedern auf bestem Weg. Damit aber sind die Mitglieder der IG der unabhängigen Filmproduzenten offensichtlich nicht einverstanden. Sie haben heute zur Medienkonferenz und Diskussion geladen in Locarno.

Im vor einem Jahr angekündigten und von Marc Wehrlin, dem ehemaligen Chef der Sektion Film im Bundesamt für Kultur (dem Vorvorgänger von Ivo Kummer und Vorgänger von Nicolas Bideau) geleiteten Fazilitationsprozess seien sie marginalisiert worden, ihre Vorschläge für eine Reform der Filmförderung ignoriert. Offensichtlich sei dem Bundesrat oder dem Fazilitator mehr an einem Burgfrieden in der Filmbranche gelegen, als an echten Reformen.

Die vorliegenden Umbaupläne für die automatische und die selektive Filmföderung seien eine Selbstverteilungsmechanik für die Filmbranche, das Ganze laufe nicht auf eine Filmförderung hinaus, sondern auf eine Branchenförderung. Und damit werde das Mittelmass zementiert und die Giesskanne zu Hauptprinzip. Thierry Spicher, der neben Christian Davi vor allem das Wort führte, hat betont, in einem demokratischen Prozess gebe es immer Unterlegene. Aber, so liess er durchblicken, dieses Mal sei der Prozess gar nicht so demokratisch verlaufen. Die IG würde vor allem gerne wissen, wer am Ende über die Vorschläge entschieden habe – und warum.

Thierry Spicher und Christian Davi ©sennhauser
Thierry Spicher und Christian Davi ©sennhauser

Pikant an der durchaus nicht immer völlig hieb- und stichlosen Polemik wirkte ein Detail: Es seien die Jäger, welche die Jagd organisierten, meinte Spicher, die Branche verteile sich die Mittel sozusagen selber – während die IG unabhängige externe Experten fordere. Dabei sind vor genau einem Jahr von der Gegenseite Vetterli-Wirtschafts-Vorwürfe an die angebliche Seilschaft zwischen dem damaligen Filmchef Bideau und einzelnen Mitgliedern der heutigen IG erhoben worden. Vorwürfe allerdings, die den (internen) Abklärungen des Bundesamtes für Kultur gemäss jeder Grundlage entbehrten.

In einem Punkt jedenfalls verfängt die Argumentation der IG bestimmt: Der Wunsch nach Frieden und Ruhe in der Branche wurde nicht nur von Didier Burkhalter geäussert, sondern auch von vielen jener Brachenmitglieder, die sich nun kompromissbereit gezeigt haben. Ob Bundesrat Burkhalter mit seiner Rede vom letzten Freitag tatsächlich ein fait accompli geschaffen hat, drei Tage vor der letzten Sitzung der zuständigen beratenden Filmkommission, und ob tatsächlich noch eine Art Differenzbereinigungsverfahren zwischen den Vorstellungen der Verwaltung im BAK und den Äusserungen des zuständigen Departementschefs ansteht, ist von aussen nicht wirklich zu klären. Zumal Ivo Kummer, der neue Chef der Sektion Film, und gerade erst ein Monat im Amt, sich zur ganzen Sache heute nicht äussern wollte.

Wie auch immer: Opposition gehört zur Demokratie, Reformen dürfen immer angestrebt und vorgeschlagen werden, und wer den Frieden stört, auch wenn er denkt, es handle sich um einen faulen Frieden, stösst immer auf Kritik. Was das Leben für die IG aber tatsächlich nicht einfacher macht, ist die aktuelle Filmpolitikverdrossenheit nicht nur der Öffentlichkeit, sondern auch und vor allem der Medien. Die Bideau-Jahre haben uns alle erschöpft, die mediale Karawane ist weitergezogen. Da hilft es wohl auch nicht mehr viel, dass die IG ihre Kommunikation von Sascha Wigdorovits‘ Contract Media AG managen lässt und als Medienkontakt den ehemaligen NZZ-Medienredaktor Balts Livio beschäftigt.

(Etwas mehr und ein wenig Oton zum Thema in unserem Locarno-Radiomagazin vom Montag auf DRS4 News und DRS2)

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