Locarno 11: TOKYO KOEN von Shinji Aoyama

Tokyo Koen 1

Shinji Aoyamas Wettbewerbsbeitrag ist offenbar eine Romanverfilmung, nach einer Vorlage von Yukiya Shoji. Ich wäre nie darauf gekommen; obwohl der Film erzähltechnisch ein wenig mäandert, bleibt er stets beim Bild. Es ist eine komplexe Liebesgeschichte, beziehungsweise, es sind deren drei, welche durcheinanderfliessen, angereichert durch die freundliche Präsenz eines Geistes, einer Horde Zombies und eines Zahnarztes.

Koji ist Student und hoffnungsvoller Nachwuchsfotograf. Er teilt die Wohnung mit einem Freund, der einem manchmal etwas seltsam vorkommt, auch und gerade wegen der Herzlichkeit und Vertrautheit der beiden – denn der Freund scheint die Wohnug nie zu verlassen.

Überhaupt ist nicht nur Koji ein überaus liebenswürdiger junger Mann, seine ganze Umgebung ist extrem sympathisch. Der homosexuelle Restaurant-Besitzer, bei dem Koji am Abend kellnert, Kojis Schwester Misak, die ihn dort besucht und mit dem Besitzer und ihrem Bruder scherzt, und dann vor allem die quirlige, exzentrische Miyu, Freundin aus der Schulzeit und Vertraute.

Etwas seltsamer werden die Dinge erst, als Koji im Park beim Fotografieren einer junge Mutter mit Kinderwagen von einem Mann angesprochen wird, der ihn zuerst dafür rügt, und ihm dann gegen fürstliche Bezahlung den Auftrag gibt, die Frau täglich auf ihren Spaziergängen in den Pärken von Tokyo zu fotografieren.

Tokyo Koen 2

Die Kamera ist Kojis direkteste Verbindung zu anderen Menschen, sie verlängert ihn sozusagen direkt in die Augen und damit in die Seele jener, die er fotografiert. Und so verspielt wie diese Konstellationen wirken, so verspielt hat Aoyama auch seinen Film inszeniert. Da wechselt die Musik, die Blicke, manchmal leuchtet etwas auf, manchmal sind es die Dialoge, die wie Blinklichter wirken. Und wenn die eigenwillige Miyu von den Horrorfilmen schwärmt, die sie dauernd schaut, dann findet man sich auch schon mal in einer fünfminütigen grossartigen Sequenz aus „Vampire Zombies“ wieder.

Tokyo Koen 3

In vielen Schichten und auf diversen Ebenen wird Kojis Biografie aufgefächert, die Beziehungen verknüpft und dabei gibt es immer wieder überaus liebevolle Überraschungen. Die zwei Stunden dieses Films vergehen im Flug, sie sind randvoll mit liebevoller Romantik und Komik, mit etwas Wehmut und viel Grossmut. Formal ist der Film ein unbekümmerter Hybrid, ein komisch-liebenswertes Ektoplasma. Tokyo Koen spielt mit populären japanischen Filmgenres und etlichen Topoi, ist dabei aber so versponnen, fein und liebenswert, dass man das Kino fast schwebend verlässt.

Shinji Aoyama
Shinji Aoyama

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