Ein Märchen verzaubert hier am Filmfestival Venedig alle: Guillermo del Toros The Shape of Water, der im internationalen Wettbewerb läuft. Bekannt ist del Toro für seine versponnenen Märchen- und Monsterwelten: Hellboy, Pan’s Labyrinth, Pacific Rim: alles Filme, die ich gerne geschaut habe, die mir aber immer von allem etwas zu viel hatten: zu überbordend fand ich sie, zu fest in die Fantasyelemente verliebt. Und darüber blieb immer eine Distanz zu den Filmfiguren und ihren Geschichten.
The Shape of Water ist anders – und für mich der beste Film des mexikanischen Regisseurs bisher. Herzerwärmend, nahe bei den Figuren, eine einfache Geschichte, grossartig erzählt, inszeniert und gespielt.
Eine Frau, die nach der Vorstellung neben mir telefonierte – offenbar mit einem Kind – fasste am Telefon die Geschichte wunderbar einfach in einem Satz zusammen: «Ich habe einen Film gesehen, in dem sich ein Fisch und eine Prinzessin ineinander verlieben».
Ein Märchen, im Setting der späten 50er oder frühen 60er Jahre platziert und im Stil eines B-Movie-Monsterfilms aus der Nachkriegszeit erzählt. Hauptschauplätze gibt es zwei: ein hochgeheimes wissenschaftliches Laboratorium und zwei Wohnungen über einem alten Kino in Baltimore. In diesen wohnen Eliza (Sally Hawkins), Putzfrau in der wissenschaftlichen Station, und ihr Nachbar, der Werbezeichner und Künstler Giles (Richard Jenkins), der keine Aufträge mehr bekommt. Mit ihm zusammen wohnen noch einige Katzen (eine davon erleidet noch ein schlimmes Unglück).
Eliza putzt Laboratorien, aber auch Männerklos, zusammen mit der grossherzigen und resoluten Zelda (Octavia Spencer), die nie um einen Spruch verlegen ist. «Hier arbeiten einige der klügsten Köpfe des Landes, aber sie pinkeln trotzdem auf den Boden» sagt Zelda einmal entrüstet.
Eliza dagegen sagt nie etwas – sie ist stumm. Im Laboratorium, das sie putzen, wird eine Kreatur angeliefert: Ein Wasserwesen aus einem südamerikanischen Fluss, das erst einmal dem Sicherheitschef Strickland (Michael Shannon) zwei Finger abbeisst.
Eliza glaubt nicht an die pure Bosheit des Wassermannes – und fängt an, ihre Mittagspausen am Rand des Beckens zu verbringen, in dem die Kreatur schwimmt. Immer bringt sie ihm gekochte Eier mit. Und so schliessen die beiden Freundschaft, essen zusammen Mittag, hören Musik auf dem mitgebrachten Grammophon und kommunizieren mit Zeichensprache, die Eliza dem Wassermann beibringt.
Doch die Mittagsromanze kann nicht halten, denn Sicherheitschef Strickland bekommt von einem General den Auftrag, das Wesen zu töten, da es keine gewünschten Forschungsergebnisse bringt. Und dann sind da noch die Russen, die das Labor infiltriert haben und auch an der Kreatur interessiert sind.
Eliza verzweifelt, weil sie sich in dieses Fischwesen, dem sie sich durch ihre Stummheit seelenverwandt fühlt, verliebt hat. Sie bittet Nachbar Giles und Zelda um Hilfe.
Guillermo del Toro packt viele zeitgenössische Referenzen in seinen Film: den legendären Alien-Fundort «Area 51», den kalte Krieg, aber auch kleine Referenzen wie das goldene Zeitalter des Fernsehens und seiner Tanzshows – und, damit zusammenhängend, die erste Kinomisere, oder das Aussterben des Berufs des Plakatmalers.
Im Kern aber ist The Shape of Water aber vor allem der herzerwärmende Märchenfilm «Prinzessin liebt Fisch».
Märchenhaft gut ist auch das Schauspielensemble mit der wunderbaren, wenn auch hier stummen Britin Sally Hawkins, mit Richard Jenkins, Octavia Spencer und Michael Shannon als echtem Bösewicht.
Und wenn die Kreatur (in dem Fantasiekostüm, das einen ständig an irgendwelche alten Monster erinnert, steckt Doug Jones) manchmal blaue leuchtende Punkte bekommt wie eine dieser zauberhaften Unterwasserkreaturen aus der BBC-Doku, dann mag man sich mal wieder richtig gern im Kino entführen lassen in die Leinwand hinein und einfach nur geniessen statt zu analysieren, was das wohl alles noch bedeuten könnte. Darum ist hier auch Schluss mit dieser Filmkritik.