YEOHAENGJAUI PILYO (A Traveler’s Needs) Hong Sangsoo (Berlinale 2024, Wettbewerb)

Ha Seongguk, Isabelle Huppert © 2024 Jeonwonsa Film Co.

Ich kann nicht mehr sagen, wie viele Filme von Hong Sangsoo ich schon gesehen habe. Dabei ist jeder von ihnen einzigartig. Vorwiegend koreanische Menschen reden und trinken und sind höflich und kommen irgendwann ein wenig aus sich heraus.

Meist spielt Poesie eine Rolle und immer irgendeine Form von Alkohol. Sonst bleiben die Gefühle unter der Oberfläche.

Die von Isabelle Huppert gespielte Französin im aktuellen Film ist allerdings eine neue Art von Katalysator. Sie ist eine «Drifter»-Figur, eine Fremde, der man im Park beim (falschen und lauten) Flötenspielen begegnen kann.

Sie trinkt gerne Makgeolli und sie hat spontan eine Methode erfunden, um eine Fremdsprache, in ihrem Fall nun eben Französisch, zu lehren.

Wie eine Therapeutin fragt sie ihre potentiellen Kundinnen (es sind erst mal zwei), nach ihren Gefühlen in bestimmten Momenten. Sie holt noch ein wenig mehr aus ihnen raus, als ihre Höflichkeit sonst zulassen würde.

Und dann schreibt auf Karteikarten starke französische Formulierungen, die nicht drumrumreden, sondern auf den Punkt kommen. Die sollen die Schülerinnen dann auswendig lernen.

Die Idee dahinter: Emotionen schaffen die Brücke zur Sprache besser, als das touristische Einerlei von Fahrkarten kaufen oder nach dem Weg fragen.

Isabelle Huppert, Kim Seungyun © 2024 Jeonwonsa Film Co.

Allerdings sind wir nie ganz sicher, wer diese Frau eigentlich ist, wo sie herkommt. Ihr wackliger Gang in den hohen Schuhen, ihre Handbewegungen, die haben so gar nichts zu tun mit der üblichen brüsken Präzision, die wir von Isabelle Huppert gewohnt sind.

So bleibt die Annahme, dass sie eher eine Idee verkörpert, eben die Fremde, die sich Emotionen erlaubt, wo die Koreanerinnen davon absehen.

Hong Sangsoo verdreifacht einiges in diesem Film. Die Begegnung mit einem Gedicht, das Reden über die eigenen Gefühle beim Musik machen und die Momente, in denen die Frau die anderen dazu bringt, sich selbst zu überraschen.

Die Filme des Koreaners werden immer mehr zu ihren eigenen Konstruktionsplänen, wie formal strenge Gedichte mit lächelndem Einschlag.

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