Wollen wir mal wieder jammern?

Da sind wir wieder: Je infantiler das US-Kino daherkommt, desto erfolgreicher wird es. Und alle Auguren europäischer Hochzivilisation sehen einmal mehr das Ende vom Kino als Kunstform. Anders kann man Meldungen wie die untenstehende ja nicht interpretieren. Oder doch? Ich versuche es, nach dem Sprung:

Hollywoodrekord – Bester US-Kinosommer aller Zeiten

Los Angeles (dpa) – Hollywood hat in diesem Sommer einen neuen Kassenrekord aufgestellt. Wie das Filmblatt „Hollywood Reporter“ am Montag berichtete, 

haben die Filme des Kinosommers 2007 insgesamt über vier Milliarden Dollar eingespielt. Die Saison geht traditionell von Anfang Mai bis Anfang September. Mit den Einnahmen der Teenager- Komödie „Superbad“ am vergangenen Wochenende in Höhe von 18 Millionen Dollar hat die Filmindustrie nun schon eine Woche vor dem offiziellen Ende des Kinosommers den bisherigen Rekord aus dem Jahr 2004 von insgesamt 3,95 Milliarden Dollar übertroffen. Die hohen Einnahmen an den Kinokassen werden vor allem auf das gute Abschneiden der zahlreichen Fortsetzungen von Filmen wie „Spider-Man“, „Shrek“, „Fluch der Karibik“, „Rush Hour“, „Harry Potter“ und „Die Bourne Identität“ zurückgeführt. Mit über 336 Millionen Dollar Einnahmen an den US-Kinokassen avancierte „Spider- Man 3“ zum bisher erfolgreichsten Film des Jahres, gefolgt von „Shrek 3“ und dem Action-Thriller „Transformers“.

Überrascht? Ich auch nicht. Die Zahlen und die Titel besagen einzig und allein, dass die Geschäftsmodelle, auf denen Hollywood basiert, noch immer funktionieren. Sie besagen aber auch, dass nur Wachstum Wachstum generiert, dass grösser und teurer im Idealfall auch lukrativer und erfolgreicher bedeutet.

Gleichzeitig sind in ganz Europa die Anteile des einheimischen Filmschaffens am Kinomarkt deutlich zurück gegangen. Es gibt verschiedene Gründe dafür, aber der offensichtlichste ist der: Die Unterhaltungsindustrie ist genau so der sogenannten Konvergenz anheim gefallen, wie die Medienkonglomerate. Genau so, wie Informationen mittlerweile auf vielen verschiedenen Kanälen zu haben sind, werden auch Filme in einer Vielfalt angeboten, die wir noch nie hatten. Dank DVD, Video on Demand, YouTube, Kabelfernsehen, Digital-TV und mobilem Filmangebot können wir uns unsere Programme selber zusammenstellen. Und wir tun das auch. Während die europäischen Multiplexkinos unter ihrer Abhängigkeit von den amerikanischen „Tentpoles“ (Zeltpfosten) ächzen, setzen die Arthauskinos ganz ordentlich Publikum um, wenn auch mit einem deutlich höheren Aufwand als auch schon. Das Filmangebot in den deutschschweizer Städten ist unglaublich breit, wer will, kann jede Woche täglich zweimal ins Kino und nie den gleichen Film ansehen. Dass mit sovielen Kopien und stets nur wenigen Leuten in den Kinosälen kein Riesenumsatz generiert wird, liegt auf der Hand. Aber es funktioniert und die Studiokinos sind deutlich freier als die Multiplexe, weil sie ihre Vielfalt auch aus einem vielfältigen Angebot auswählen können. In Grossbritannien hat übrigens eine Verleihfirma angefangen, Kapital zu schlagen aus der Verfügbarkeit der ersten digitalen Kinos. Sie haben den Bondfilm Goldfinger digitalisiert und in diversen bereits dafür eingerichteten Kinos auf die Festplatten gepackt. Nun läuft der Bond-Klassiker ohne weiteren Aufwand immer mal wieder in diesen Kinos und das Publikum ist begeistert. Weitere solcher digitaler Reeditionen sind geplant. Den künstlichen Blockbustern aus Hollywood ist mit Vielfalt durchaus zu begegnen, ohne immenses finanzielles Risiko, notabene. Das werden jene Kinoketten, die es noch nicht gemerkt haben, auch hierzulande zu spüren bekommen.

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