
Nein, wegen seiner formalen Qualitäten gehört dieser Dokumentarfilm nicht auf die grosse Kinoleinwand. Benjamin Weiss und Daniel Hitzig, sein Co-Autor, erzählen ihre Geschichte mit der bewährten Raffinesse eines längeren 10vor10- oder Tagesschau-Beitrages auf SRF, bis hin zum professionellen Off-Kommentar, gesprochen von Suzanne Zahnd. Tritt ein Experte oder eine Expertin auf, wird er oder sie ebenfalls zunächst ganz fernsehmässig auf Distanz «etabliert», etwa beim gezielten Marsch zur Bürotür.
Aber der Inhalt von Trop chaud, der nimmt einen durchaus mit. Zuerst auf die acht Jahre dauernde Geduldsreise der Schweizer Klimaseniorinnen, von der sorgfältigen Planung ihrer Anhörung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EMRK) am 28. März 2023 in Strassburg bis zur Urteilsverkündung vom 9. April 2024.
Das Resultat war eindeutig, der EMRK gab den Klägerinnen Recht und hielt fest, dass die Schweiz ihr Recht auf Klimaschutz verletzt habe. Das sorgte international für Aufsehen. Und in der Schweiz für Empörung.
Und da, nach einer instruktiven, minutiös aufbereiteten Herleitung, taucht Trop chaud mit einem Stakkato an Politikerindignationen dann voll ein ins Zentrum dessen, das es rechtfertigt, den Film ins Kino zu bringen.

Die parlamentarische Herabwürdigung des riesigen Engagements, welches diese Frauen (und etliche Männer) über einen langen Zeitraum aufgebracht haben, sucht in der Schweizer Parlamentstradition ihresgleichen. Es sind tatsächlich nicht nur die üblichen Rechtsaussenkrakeeler wie Thomas Matter oder Mauro Tuena von der SVP, welche ihre Schnappatmung direkt in Verbalinjurien in Richtung der Klimaseniorinnen ummünzen, sondern auch eine theoretisch linksliberale Figur wie Daniel Jositsch, (Zentralpräsident des Schweizerischen Fischereiverbandes), der sich plötzlich sinngemäss über «fremde Richter» aufzuregen beginnt.
Und so finde ich mich als Zuschauer zum Ende dieses unaufdringlich gewohnheitsmässig instruktiven Er- und Aufklärungsfilmes wider Erwarten plötzlich emotionalisiert, empört, aufgewiegelt und abgeholt.
Vielleicht gehört die zunächst so harmlos wirkende, standardisierte Fernseh-Machart zum heimlichen Kalkül der Filmemacher.
Vielleicht aber entspringt sie auch ganz einfach der Notwendigkeit, unseren biederen politischen Realitäten ins Gesicht zu sehen. Dafür spricht auch die ungewöhnliche Finanzierungsgeschichte der Produktion. Keine der drei grossen öffentlichen Deutschschweizer Förderanstalten (Zürcher Filmstiftung, Bund, SRF/SRG) sind an der Finanzierung beteiligt. Die Filmemacher sagen, Trop chaud sei «ein Film aus der Zivilgesellschaft, finanziert von der Zivilgesellschaft».
Am Ende jedenfalls ist Trop chaud tatsächlich ein überraschend heisser Film.
Ab 15. Mai 2025 im Kino.
Spielorte und -zeiten hier.
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