DAS GEHEIMNIS VON BERN von Stascha Bader

Stascha Bader als Trilby-Marlowe-Maloney auf der Suche nach dem Geheimnis von Bern © Ascot-Elite

Da steht er auf der nächtlichen Kornhausbrücke, bereit zum letzten Sprung, das Berner Stadtoriginal, dr Dällebach Kari. Aber irgendwas stimmt da nicht. Das ist doch gar nicht Bern, da im Hintergrund? Und warum trägt der Kari einen Trenchcoat wie Humphrey Bogart als Philip Maloney, und einen Trilby Hut, wie der Zürcher Filmer Stascha Bader?

Und da schimpft er auch schon los, der Stascha Bader: «Züri! Was für en himmeltruurige Band-Friedhof! Früener, ums Nünzä-Achzgi umme: Das isch Rock’n’Roll gsi!»

Der Einstieg ist so fulminant und originell wie das meiste, was darauf folgt in diesem Dokumentarfilm zum Geheimnis der Dominanz der Berner Mundart über die Deutschschweizer Musikszene und -Geschichte.

Humphrey Bogart als Philip Marlowe / Stascha Bader back to the Roots ©sennhauser / Ascot-Elite

Bader, der mit Rocksteady: The Roots of Reggae (2009) kenntnisreich und leidenschaftlich der Geschichte der jamaikanischen Musik nachspürte, sucht nun mit Witz und Zürcher Selbstironie die Gründe für die Langlebigkeit der Berner Musikszene, von Rumpelstilz über Züri West und Patent Ochsner, Gölä, Lo & Leduc, Steff La Cheffe bis zu den aktuellen Szene-Stars wie Nenu212.

Dass er dazu in Marlowes Trenchcoat schlüpft und sich sozusagen als Privatdetektiv auf die Spurensuche macht, gibt ihm reichlich Gelegenheit, im persönlichen Erzählerstil seinen Thesen mit passenden Zeugen nachzuspüren und den Film in lockere Kapitel zu unterteilen.

Warum sind all die Zürcher Bands seiner Jugend vergessen und begraben, während sich all die erfolgreichen Berner Giele u Meitschi auf den Schultern ihrer Vorgänger Publikum und Ruhm und Ehre ersangen?

Eben darum, weil sie alle auf die bestehende Mundart-Tradition der Berner Troubadours um Mani Matter und die Titanen von Rumpelstilz und Patent Ochsner aufbauen konnten, vermuten Greis und die Jungs von Chlyklass.

Formen des Dialekts: Manuel Stahlberger © Ascot-Elite

Liegt es also vor allem am Berner Dialekt? Ostschweizer Manuel Stahlberger zeigt in einem irrwitzigen Skulpturenraum die haptischen Unterschiede der Deutschschweizer Dialekte. Flavio Baltermia demonstriert im Studio die unterschiedliche Wirkkraft der Dialekte an einem Song und schliesslich beerdigt Dr. Adrian Leeman Professor für Soziolinguistik in Bern, die These im internationalen Vergleich.

Zeit für einen historischen Abriss also. Den liefert Samuel Mumenthaler, Autor von «50 Jahre Berner Rock», zusammen mit Serge Berthoud in dessen legendärem Plattenladen «Serge and Peppers» in Bern. Mumenthaler erinnert daran, dass lange vor Rumpelstilz und Züri West schon Teddy Stauffer und Hazy Osterwald internationalen Sound erfolgreich helvetisiert hatten.

Samuel Mumenthaler und Serge Berthoud © Ascot-Elite

So wird eine These nach der nächsten aufgestellt, und weil Bader in seiner Gumshoe-Persona das alles kommentieren, verknüpfen und auch wieder (teil-) verwerfen kann, bekommt der Film einen dramatischen Bogen, komplett mit Retardation und Höhepunkt.

Als Retardation könnte man den Einschub zu und mit Marco Pfeuti deuten. «Uff welem Mischt isch denn de Golä gwachse?» lautet da Baders rhetorische Frage zum einzigen vollwertigen Schweizer Mundart-Stadion-Rocker, und er führt dann auch noch dessen «Büezer-Buebe»-Partner Trauffer als weiteren Kronzeugen ein.

Christine Lauterburg zelebriert im Bahnhof Bern das Guggisberg Lied © Ascot-Elite

Den emotionalen und durchschlagenden Höhepunkt des Films bildet allerdings ein Flashmob-Konzert im Berner Hauptbahnhof, in dem Christine LauterburgSteffe La Cheffe und Traktorkestar mit einem Spontanchor das unsterbliche Guggisberg-Lied zum Fliegen bringen.

Steffe La Cheffe hat sich über eigenen Liebeskummer und das Guggisberg-Lied mit der Tradition wieder angefreundet © Ascot-Elite

Am Ende schafft Stascha Bader mit seiner willkürlich witzigen Thesenschieberei natürlich auch die ganz grosse Synthese, indem er die erfolgreiche «Swissness» von allem über Jeremias Gotthelf zu Albrecht von Haller zurückverfolgt und damit die Berner Mundartmusik in den helvetischen Gründungsmythos integriert – oder umgekehrt.

Was zu diesem Zeitpunkt nicht mehr so wichtig ist, weil der zeternde Zürcher vom Anfang des Films nicht nur seinen Frieden gefunden hat, sondern auch die Zukunft unserer Wurzeln, die er dann gemeinsam die Aare runter treiben lässt — rund um Das Geheimnis von Bern herum.

Im Kino ab 8. Mai 2025


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